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Mehr Sport im Hort

■ Die Evangelische Kirche will ihr Hortkonzept modernisieren und gab eine flächendeckende Untersuchung ihrer Bremer Einrichtungen in Auftrag / Die Kinder stellten das Resultat vor

Florian weiß genau, was er will: Der Neunjährige möchte in seinem Hort einen Computer haben. Dafür würde er sogar den Turnraum zum Computerraum umbauen. Sportgeräte will der aufgeweckte Junge stattdessen draußen installieren. Eugen (10) ist zwar etwas schüchterner, schlägt aber nicht minder radikale Maßnahmen vor: Den Parkplatz will er „plattmachen“ und zum Fußballplatz umgestalten. Der Wunsch von Lydia wäre dagegen leicht zu erfüllen: Das zehnjährige Mädchen möchte selbst entscheiden dürfen, ob der Fernseher im Hort eingeschaltet wird.

Die Wünsche der Kinder will die Bremische Evangelische Kirche (BEK) bei einer Revision ihres Hortkonzepts einbeziehen. Stellvertretend für 500 Kinder in kirchlichen Bremer Horten durften Florian, Eugen und Lydia ihre Ideen dem eigens aus München angereis-ten Professor Dr. Dr. Dr. Wassilios E. Fthenakis erläutern. Aber eigentlich kannte der Professor die Positionen der Kinder bereits: Im Auftrag der BEK hat das Staatsinstitut für Frühpädagogik unter seiner Leitung eine Studie in den Horten der BEK durchgeführt. Dabei wurden neben Mitarbeitern und Eltern auch die Kinder gefragt, was ihnen am Hort gefällt und welche Verbesserungen sie sich vorstellen können.

Eine erste Sichtung der erhobenen Daten förderte unter anderem einen chronischen Bewegungsmangel bei den Kindern zutage. Aber auch so profane Klagen wie die über das Mittagessen werden von den Wissenschaftlern ernst genommen. „Mitbestimmung über den Speiseplan sollte wie in der Familie auch im Hort möglich sein“, sagt Fthenakis – auch wenn die Maximalforderung eines Hortkindes, „jeden Tag Pfannkuchen“, nicht erfüllbar sein wird.

Mit ihren Vorschlägen liegen die Kinder zum Teil im Trend dessen, was die Pädagogen selbst als neue Herausforderung für Horte formuliert haben: Vehementer als ihre Eltern fordern sie Zugang zu Medien, insbesondere Computern. Auch die Münchner Wissenschaftler halten den Kompetenzerwerb durch Mediennutzung für wichtig. Grundsätzlich müssten Horte sich stärker einem Bildungsauftrag stellen als bisher. Statt einer Sondereinrichtung, fordert Fthenakis, müssten Horte ein ergänzendes Angebot für alle Kinder sein. Die in Bremen gültige Richtlinie, Hortplätze für 15 Prozent der Kinder anzubieten, hält er daher für völlig unzureichend. Das Doppelte wäre für den Professor die unterste Grenze.

Die BEK will aus der Untersuchung Anforderungen ableiten, nach denen die Horte umgestaltet und die Mitarbeiter nachqualifiziert werden sollen. Nachdem der Hort durch die Debatte um den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz ins Hintertreffen geriet, will die evangelische Kirche nun zum Vorreiter einer inhaltlichen Neuorientierung werden. Ilse Wehrmann, Abteilungsleiterin für Kindertageseinrichtungen in der BEK, strebt dazu die Umlenkung kirchlicher Eigenmittel von den Kindergärten in den Hortbereich an. Insgesamt gibt die BEK in diesem Jahr mit rund fünf Millionen Mark ein Zehntel ihrer Einnahmen aus der Kirchensteuer für die Tagesbetreuung von Kindern aus. Die Zahl der Plätze wurde gegenüber dem Vorjahr um 200 auf insgesamt 3.500 erhöht. not

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