: Satanische Ehrung
■ Unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen und im Beisein von Grass und Oe erhält Salman Rushdie die Ehrendoktorwürde der FU
So sicher war es in Dahlem noch nie. Fast an jeder Straßenekke Polizei in Uniform oder Zivil, dazwischen private Sicherheitsdienste und Universitätsangestellte als Ordnungshüter – das hatte es allenfalls auf dem Höhepunkt studentischen Protestes gegeben.
Gestern aber war bloß ein Schriftsteller gekommen – ein Autor, dem das ganze Brimborium als geradezu harmlos erschien. All das, sagte Salman Rushdie, sei „kein Vergleich“ zu der Zeit bis vor einem Jahr, als sich die iranische Staatsführung noch nicht von der Todesdrohung gegen ihn distanziert hatte: „Meine Lage hat sich verbessert, sonst säße ich heute gar nicht hier.“
Immerhin konnte Rushdie gestern an der Freien Universität (FU) vor mehreren hundert Zuschauern seinen siebten Ehrendoktortitel in Empfang nehmen. Mit einer kleinen Einschränkung allerdings: Die geladenen Gäste mussten sich zwei Stunden vorher an verschiedenen Orten auf dem FU-Campus einfinden. Von dort wurden sie schließlich an den geheimen Ort der akademischen Feier geleitet – den Hörsaal des Instituts für Mikrobiologie. Sicherheitsschleusen wie am Flughafen sollten die Sicherheit des prominenten Gastes garantieren.
Neben der Ehrenurkunde hielt die Hochschule für Rushdie noch ein besonderes Präsent bereit: Vor der offiziellen Feier durfte er in den Räumen des FU-Präsidialamts mit den Nobelpreisträgern Günter Grass und Kenzaburo Oe tafeln. Oe weilt derzeit als Samuel-Fischer-Gastprofessor an der FU. Und die Grass-Lektüre, beteuert Rushdie, habe ihm die Pforten zur deutschen Literatur geöffnet. Auch für den Menüplan des literarischen Gipfeltreffens galt freilich die höchste Geheimhaltungsstufe. Das „eigenartige Gefühl“ jedoch, das Rushdie in der Dreierrunde beschlich, hatte einen anderen Grund: Er war der einzige, der keinen Nobelpreis aufzuweisen hatte.
Umso dankbarer zeigte sich Rushdie für seinen FU-Ehrendoktor. Brav sagte der britische Schriftsteller indischer Herkunft, was die Etikette bei solchen Anlässen vom Geehrten verlangt: Er beteuerte seine „große Bewunderung für Berlin“ – und vor allem für die FU, die „ein Symbol des Kampfs für die Freiheit“ sei. Nicht minder beflissen versuchte FU-Anglist Manfred Pfister als Laudator, zwischen der 1948 gegründeten Hochschule und dem 1947 geborenen Autor biografische Parallelen zu konstruieren.
Allein ein namentlich nicht genannter Honorarprofessor störte die Harmonie der Feierstunde. Der „praktizierende Katholik“ warf der Uni-Spitze vor, sie ehre Rushdie aus Feindseligkeit gegen den Islam: „Schon einmal hat Deutschland durch seine Feindseligkeit gegen eine andere Weltreligion das größte denkbare Unglück für Millionen von deren Anhängern eingeleitet.“ FU-Vizepräsident Dieter Lenzen wies diesen Holocaust-Vergleich, den er in seiner Rede erst an die Öffentlichkeit brachte, als „Entgleisung“ zurück.
Ralph Bollmann
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