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„Mama, mein PC ist tot!!“

■ Das Focke-Museum zeigt von Künstlern entworfenes Spielzeug aus der Jahrhundertwende / Als es noch keine Computerabstürze im Kinderzimmer gab

Das Focke-Museum beweist: Es gab in deutschen Kinderzimmern eine Zeit vor Playmobil, Fischertechnik und der spröden Regentschaft von Ken und Barbie. Eine Zeit, wo der liebe Kleine weder Loriot'sche „Ich bau mir ein Atomkraftwerk“-Baukästen zusammen fummelte noch interstellare Luftkriege über die Weltherrschaft im 37. Jahrtausend auszufechten hatte. Eine Zeit schließlich, wo ein Stromausfall im Kinderzimmer („Mama, mein PC ist tot!!“) nicht den völligen Zusammenbruch aller kreativen Potenziale nach sich zog.

War das eine glückliche Zeit? Zumindest eine, wie die Ausstellung „Schöner Spielen“ über Spielzeugentwürfe um 1900 zeigt, in der ein Großteil der Spielgeräte für Kids aus Holz gefertigt und in Dosen verpackt wurde, die die Aufschrift „Dem braven Kinde“ trugen. Und „dem braven Kinde“ fand darin zumeist schnuckelige pickelhaubige Soldaten, Biedermeier-Idyll zum Selbstaufbau und Bauernhofbaukästen mit allerlei rosigen Schweinchen.

All das war der Jugendstilbewegung um die Jahrhundertwende ein Dorn im Auge. Ihre Vison einer in allen Bereichen reformierten Gesellschaft machte auch vor den Kinderzimmern nicht halt. Der hypernaturalistischen Nachahmung der Erwachsenenwelt, die jede Puppenstube zu einer illusionstötenden, bis ins kleinste Detail gehenden Kopie kleinbürgerlicher Hausstände werden ließ, setzte der Jugendstil eine abstrakte Formgebung entgegen. Die Objekte blieben die gleichen: Puppen, Tiere, Bäume, Häuser und Fahrzeuge auch im Jugendstil, jedoch in einer sehr stilisierten Form, die die Gegenstände auf ihre zentralen Merkmale reduzierte.

Im Spielzeuggeschäft dominierte zu Beginn des Jahrhunderts jedoch weiterhin das naturalistische Spielzeug. Und auch auf den meis-ten anderen Feldern konnten sich die engagierten Jugenstil-VertreterInnen zunächst nicht durchsetzen. Doch ihre Langzeitwirkung war beachtlich. Betrachtet man das Spielzeug, das heutzutage auf Messen prämiert wird – einige Exponate sind im Focke-Museum zu sehen – entsprechen sie in manchem den reformerischen Prinzipien des Jugenstils.

Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen einige Arbeiten des Bremer Spielzeugmachers Carl Weidemeyer sowie die Entwürfe eines Spielzeugwettbewerbs, der 1903 in der traditionsreichen Spielzeugstadt Nürnberg ausgetragen wurde. Der 1882 in Bremen geborene und ab 1905 in Worpswede lebende Architekt und Graphiker Weidemeyer war Chefdesigner der Vereinigten Werkstätten, einer bis vor wenigen Jahren in Bremen ansässigen Firma. Für sie entwarf er Spielzeug: vor allem stilisierte Tierfiguren und einen „Bremer Baukasten“, der Hennings Reich rund um den Roland als allerliebstes Aufstellspiel beinhaltet.

Am Nürnberger Spielzeugwettbewerb von 1903 nahmen schließlich 114 KünstlerInnen teil, die Entwürfe für Puppenstuben, Kindertheater, Tierfiguren und ähnliches mehr einreichten. Das Bayerische Kunstgewerbemuseum hatte das Preisausschreiben initiiert, weil es Holzspielsachen prämieren wollte, die sich im besonderen Maße den Ideen der Kunsterziehungsbewegung verpflichtet fühlten. Diese nach 1885 einsetzende volkserzieherische Reformbewegung wollte der Verkümmerung des Menschen im Industriezeitalter entgegenwirken und interessierte sich deshalb für einfache, phantasiestimulierende Spielsachen. Die prämierten Wettbewerbsbeiträge, von denen nur einer später tatsächlich auch in Spielzeuggeschäften vertrieben wurde, sind im Focke-Museum zu sehen. zott

Die Ausstellung „Schöner Spielen“ ist bis zum 13. Februar 2000 im Focke-Museum zu sehen.

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