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Gemeinsam gegen Rotterdam

■ Hafen-Allianz soll Containerumschlag an Weser und Jade stärken / Bürgerinitiative will „Jade-Port“ in Wilhelmshaven verhindern

Für die Wirtschafts- und Hafenlobby an der Weser steht fest: Sollen bremische Häfen im hart umkämpften Containergeschäft auf lange Sicht bestehen, müssen Ressourcen jenseits der Landesgrenzen erschlossen werden. Man dürfe nicht länger nur durch „die Bremen-Brille schauen“, warnte Wirtschaftssenator Josef Hattig (CDU) jüngst nach einer Kaminrunde mit seinem niedersächsischen Amtskollegen Peter Fischer (SPD).

Den versöhnlichen Worten liegen freilich handfeste Motive zugrunde. Denn bei den anhaltend hohen Steigerungen im Containerverkehr platzen die Kajen in Bremerhaven auf Dauer aus allen Nähten. Flächen für die Erweiterung der Terminals sind zudem rar gesät. Der geplante Neubau CT 4, über den die Behörden in einem komplizierten Genehmigungsverfahren zu befinden haben, würde inklusive Ausgleichsflächen weit auf niedersächsisches Gebiet reichen. Obendrein stößt das Projekt auf den erbitterten Widerstand von Anwohnern. Mit Sorge verfolgen die Hafenmanager außerdem den steilen Trend bei den Schiffsgrößen auf den Überseelinien. Mit 14 Metern Wassertiefe ist die Außenweser schon heute für manchen Pott zu seicht. In Fachkreisen wird jedoch darüber spekuliert, dass bald so genannte Mega-Carrier mit einem Tiefgang von knapp 15 Metern die Regel sein könnten.

Doch in der Bremer Wirtschaftsbehörde ahnt man längst: Die Lösung für alle Probleme liegt womöglich nur einen Steinwurf entfernt. Zielstrebig schürt der Stadtstaat seit einiger Zeit Ambitionen zum Bau eines gigantischen Containerhafens in Wilhelmshaven. Der Initiator des Milliardenprojekts ist die private Wilhelmshavener Hafenwirtschaftsvereinigung (WHV). Deren Pläne für einen so genannten „Jade-Port“ mit zunächst 1.700 Metern Kajenlänge sorgen in der 90.000-Einwohner-Stadt allerdings für heftige Auseinandersetzungen. „Die ökologischen Gefahren und die Interessen der Anwohner werden hier schlichtweg übergangen“, urteilt Manfred Berger von der Initiative Bürger gegen den Jade-Port.

Großen Zulauf erhalten die Geg-ner des Projekts vor allem aus dem Stadtteil Voslapp. Die 4.000 Bewohner dort fürchten um die ländliche Idylle ihres Viertels, sollten in direkter Nachbarschaft erst einmal die Förderkräne dröhnen und der Güterverkehr in Schwung kommen. „Durch die Ansiedlung von Gewerbe könnten Haus und Hof plötzlich 20 Prozent weniger wert sein“, schätzt der 48-jährige Software-Entwickler Berger.

Der angrenzende Voslapper Groden, der dem bis zu zehn Kilometer langen Container-Terminal schon im ersten Bauabschnitt geopfert werden soll, gilt zudem als ökologisch wertvoll. Hier nisten vom Aussterben bedrohte Vogelarten wie die Rohrdommel, die weit oben auf der roten Liste stehen. Auch in Kreisen der maritimen Wirtschaft wird dies anerkannt. Dennoch: Den vor Jahrzehnten aufgespülten Vos-lapper Groden habe sich die Natur widerrechtlich angeeignet, schrieb das industriefreundliche Fachmagazin Hansa.

Die Hafenwirtschaft erkennt darin jedoch kein Problem. Im Rahmen des bevorstehenden Raumordnungsverfahrens würden schon entsprechende Ausgleichsmaßnahmen getroffen, hält WHV-Geschäftsführer Detlef Weide dagegen. Ökonomisch betrachtet führe am Jade-Port nun mal kein Weg vorbei: „Um das Tor nach Deutschland offen zu halten und zu verhindern, dass die Reedereien zum Tiefwasserhafen Rotterdam abwandern, brauchen wir den Container-Hafen hier.“ Entscheidender Wettbewerbsvorteil Wilhelmshavens: Das Fahrwasser ist mit 18,3 Metern so tief wie in keinem anderen Nordseehafen. Anders als in Hamburg und Bremerhaven können Riesenpötte die Jade unabhängig vom Tidenstand jederzeit ansteuern.

Absolution für ihr Großprojekt erhielt die Hafenwirtschaft unlängst vom Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) an der Bremer Uni. Im Jahr 2020 könnten dort mit bis zu 4,1 Millionen Standardcontainern (TEU) deutlich mehr Kisten verladen werden als aktuell in Hamburg, konstatierten die Wissenschaftler. Die Argumente zündeten sowohl in der Landeshauptstadt Hannover als auch in Bremen. Niedersachsens Ex-Ministerpräsident Gerhard Glogowski warb zwischenzeitlich für den Jade-Port als „deutschen Joker im internationalen Seehafenwettbewerb“.

Im Bremer Wirtschaftssenat nehmen Pläne für eine Allianz unter hanseatischer Führung bereits Konturen an. Vorstellbar sei ein Geflecht von kleineren Häfen, die „Bremerhaven als Mutterhafen haben“, sinnierte Josef Hattig vor einigen Wochen im Gespräch mit der Nordsee-Zeitung. Auf einer Diskussionsveranstaltung in Wilhelmshaven ging Hattigs Referent für Außenwirtschaftswerbung, Uwe Will, dann in die Offensive: Das Dreieck „Wilhelmshaven-Bremerhaven-Bremen“ sei von der Größenordnung her durchaus mit Rotterdam vergleichbar. „Gemeinsam sind wir dann der zweitgrößte Hafen Europas, und ich möchte dann mal die Bundesregierung sehen, die diesem Hafen eine angemessene Hinterlandverbindung verwehrt.“

Größe bedeutet aber keinesfalls Sicherheit, kontert die Bürgerinitiative, die inzwischen 1.500 Unterschriften gegen das Vorhaben gesammelt hat. Nach vorsichtigen Schätzungen würde sich das Schiffsaufkommen vor Wilhelmshaven schon bei Betriebnahme des ersten Bauabschnitts im Jahr 2006 verdoppeln. „Das würde die Gefahr eines Umweltunfalls in der Jade drastisch erhöhen“, warnt Manfred Berger. Schon heute gibt es jährlich mehr als 20 Beinahe-Unfälle in der Deutschen Bucht. Ende Oktober etwa nahm der Hochseeschlepper „Oceanic“ vor Wilhelmshaven in letzter Minute einen manövrierunfähigen Supertanker auf den Haken. Nur knapp entging die Deutsche Bucht einer Ölkatastrophe. Dass die neuen Generationen von Containerschiffen den starken Winden eine große Angriffsfläche bieten und die Pötte längst kein so großes Beharrungsvermögen wie Supertanker haben, könnte speziell in der Einfahrt nach Wilhelmshaven zu einem Risiko werden. So weist die Fahrrinne an einem Fleck namens Minsener Oog einen gefährlichen Knick auf im Lotsenjargon „Feuerhaken“ genannt. Sollte dort ein Containerschiff stranden und wie die „Pallas“ auslaufen, dürfte für den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer jede Hilfe zu spät kommen, schätzt Berger.

Als „Luftbuchungen“ bezeichnet Bergers Mitstreiter Hans Freese die versprochenen Beschäftigungseffekte durch den Jade-Port: „Die WHV weiß natürlich, dass Arbeitsplätze hier ein absolutes Totschlagargument sind.“ Die Prognosen der Befürworter in Politik und Wirtschaft reichen von „mehreren Hundert“ bis 4000 neuer Jobs. „Wir rechnen allenfalls mit 100“, sagt der 65-jährige pensionierte Marine-Offizier. „Man muss sich doch bloß die hoch automatisierten Containerbrücken in Rotterdam anschauen. Da werden pro Schicht gerade noch drei Mitarbeiter benötigt!“ Und: Sollte der Jade-Port nur als verlängertes Terminal für Bremerhaven dienen, würden die Wachstumsimpulse vor Ort verpuffen. „Die Anlagen können auch per Funk von Bremen aus gefahren werden“, gibt Freese zu bedenken. Die Umschlagfirma Eurogate – ehemals BLG Container GmbH – liegt schließlich schon auf der Lauer und genießt besten Einblick in das Projekt: Ihre Schwestergesellschaft Port and Transport Consulting (PTC) ist an der Erstellung einer Machbarkeitsstudie für den Jade-Port beteiligt. Vom Ergebnis dieser Studie wollen die privaten Financiers der WHV ihre endgültige Entscheidung abhängig machen. Sollten die Gutachter dem Großprojekt gute Renditen bestätigen, werde schon im Jahr 2002 der erste Spatenstich erfolgen, versichert Detlef Weide. Michael Hollmann

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