piwik no script img

Mein allerschönstes Fernseherlebnis

■ Read Me: Von „Auf der Flucht“ über „Die 2“ bis „Seinfeld“ – ein Buch über Fernsehserien versammelt vage Erinnerungen an die Unsterblichen des Bildschirms

Veteranengeschichten fangen manchmal so an: „Ich finde ja eigentlich die Schwarzweiß-Folgen von 'Mit Schirm, Charme und Melone‘ immer noch am besten.“ Angehörige der ersten und zweiten Nachkriegsgeneration verständigen sich gern anhand gemeinsamer Fernseherfahrungen. Das führt zu angeregten Gesprächen, wenn sich Partygäste zum Schnack in der Küche versammeln, findet aber mittlerweile hie und da schon in den Feuilletons und sogar in Buchform statt. Ganz geheuer sind den heute Etablierten ihre damaligen Leidenschaften freilich nicht – sowohl in dem umfassenden Sammelband „Flimmerkiste“ (Gerstenberg Verlag) als auch in der jüngst erschienenen Geschichtensammlung „Ein Herz und eine Serie“ wird beklommen und mit krauser Stirn die Frage erörtert: „Macht Fernsehen dumm?“

Da sorgen immer noch überkommene bildungsbürgerliche Vorurteile für Feigheit vor dem Feind. Der Verdummung dienen Medien allein dann, wenn ihre wahre Funktion unterschlagen wird. Das gilt für gotische Kathedralfassaden, die blinden Glauben propagierten, weit mehr als für das demokratisch verfasste und föderalistisch organisierte Fernsehen. Sowieso käme niemand auf den Gedanken, pauschal „das Buch“ zu verteufeln, nur weil es auch mal den Wahnwitz eines Adolf Hitler transportierte.

Den 42 AutorInnen des Taschenbuches wurde vom Fernsehen offenbar weder körperlich noch geistig Harm zugefügt. Schriftsteller, Schauspieler, Filmemacher sind sie geworden. In kleinen, meist sehr persönlichen Geschichten lassen sie die Begegnungen mit den TV-Helden ihrer Jugend Revue passieren. Nicht nur Serienfiguren, auch solche aus Kino-Serials, Mehrteilern und Filmreihen werden gewürdigt. Zumeist bleibt es bei vagen Erinnerungen, und da geht prompt einiges durcheinander. Flipper wird fahrlässig nach Kalifornien verlegt, obschon seine Fischgründe doch vor Florida lagen. Elke Heidenreich, die, anders als so manche Trittbrettfahrer, bereits zu Zeiten der Erstausstrahlung nicht nur kundig, sondern auch positiv über „Dallas“ schrieb, moniert noch einmal die berühmten Anschlussfehler, obwohl wir doch heute wissen, dass dafür die ARD haftbar zu machen ist, weil diese Banausen, wenn die Sendezeit nicht reichte, kurzerhand ein paar Meter aus den Episoden herausschnetzelten (und auch hie und da, wenn es um Homosexualität ging beispielsweise, ein wenig Zensur ausübten).

Es sei „nicht entscheidend zu wissen, ob Miss Ellie von Barbara Bel Geddes gespielt wurde ...“, notieren die Herausgeber in ihrem Vorwort. In diesem allgemein gehaltenen Anspruch liegt die Crux des Buches, denn manch ein erinnerungsseliger Aufsatz ist recht amüsant, in dieser Häufung aber wirken die oftmals sehr ähnlichen Schilderungen schlicht ermüdend. Immerhin gibt es einige Ausreißer wie Thomas Schuler, der anschaulich und kurzweilig von seinen US-Erfahrungen mit der Sitcom „Seinfeld“ berichtet.

Glücklicherweise nämlich haben die Herausgeber, die das Vergnügen am Fernsehen eingangs als kindliche Schwärmerei abtun, insofern Milde walten lassen, als auch aktuelle Serien Berücksichtigung fanden. „Emergency Room“ und „Die Simpsons“ zählen dazu, „Lindenstraße“ und andere. So ist neben ein wenig Abwechslung auch ein wichtiges Signal gegeben: dass nach wie vor Serien produziert werden, die das Hinschauen lohnen. Denn Serienautoren sind es, die heute die Arbeit eines Balzac, Dumas oder Dickens erledigen. Harald Keller

Bettina Brömme, Thomas Endl (Hg.): „Ein Herz und eine Serie“. Reclam Verlag Leipzig, 224 Seiten, 19 DM

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen