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Erlebnis Shopping statt Erlebnis-Shopping

■ Der Erste Bürgermeister gibt sich auf der Mönckebergstraße dem Kaufrausch hin

In der Gebirgsetage des neuen Karstadt-Sporthauses in der Mön-ckebergstrasse steht eine Felsgruppe mit einem simulierten Bächlein. Wer der Werbung nicht traut, kann hier testen, ob die angebotenen Wanderstiefel wirklich wasserdicht sind. „Da muss er sich schon 'ne Stunde lang reinstellen“, meinte Kollegin B. trocken. Ortwin Runde hat gestern darauf verzichtet. Der Erste Bürgermeister war bloß gekommen, die in Glanz und Gloria wiedererstandene Mö zu besichtigen und sich dabei ein wenig auf die Schulter zu klopfen.

So schnell kanns gehen: Noch Anfang des Jahres lamentierten Politik und Geschäftswelt über den Rückgang der Besucherzahlen. Jetzt jubelt die Tourismus-Zentrale (TZH): „Die Handelsherren der Hansestadt rechnen mit goldenen Zeiten. Rechtzeitig zum letzten großen Christmas-Shopping des ausgehenden Jahrtausends haben sie die Innenstadt aufgeforstet wie noch nie. In nagelneuen Kaufhäusern und Passagen tauchen die Kunden in supermoderne, glitzernde Einkaufswelten.“

200 Millionen Mark sind ins Facelifting der Mö gesteckt worden. Schlag auf Schlag öffneten neue Kaufhäuser: Karstadt-Sport, Lust for Life, Saturn und Zara. „Erlebnis-Shopping“ ist laut TZH angesagt, geboten wird aber meist bloß das Erlebnis Shopping. Runde und sein Tross schieben sich durch schicke, aber stinknormale Modeläden. Bei Saturn kann die KundIn CDs auch hören und bei Karstadt wird Echtheit simuliert. „Das sind neue Deko-Elemente“, sagt Karstadt-Geschäftsführer Volker Langer und deutet auf drei Stelen mit der Fototapete einer winterlichen Szene. „Man meint, man ist in einer Winterlandschaft drin.“

In der Abteilung „woman fitness“ erklärt Marketingleiter Edward Zolper, es gehe darum, „au-thentic sport“ zu verkaufen. Golfschläger lassen sich beispielsweise in einem Simulator ausprobieren. „Wir werden überrannt“, sagt Geschäftsführer Langer. Die Verkäufer könnten den Ansturm nicht bewältigen. Weitere zu finden, sei schwierig, weil die Kunden mit ihren speziellen Wünschen Fachleute bräuchten. Oben, nicht weit vom Plastikfelsen, hatte ein Verkäufer versucht, einen ganz normalen Rucksack als „wasserdicht, bis auf die Nähte“, zu verkaufen. Ernsthafte Wanderer packen ihre Sachen lieber in Plastiktüten.

„Was gibt es schöneres, als Einkaufen in einer solchen Umgebung“, resümierte Runde im Bistro des Kaufhofs. Auswärtige könnten auf der Mö „das Flair einer Weltstadt“ erleben und nächstes Jahr im Advent werde es auch noch einen niveauvollen Weihnachtsmarkt auf dem Rathausmarkt geben. Er wird nötig sein, denn bei all dem Glanz und Glamour der neuen Einkaufswelten war von Weihnachten nichts zu sehen. Gernot Knödler

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