: Juristen sollen ausmisten
■ Die Ausbildung für Bremer Juristen soll reformiert werden / Grund ist das schlechte Abschneiden von Bremer Prüflingen im Ländervergleich / Bremen dennoch vorbildlich?
In die Debatte um eine bessere Juristenausbildung in Bremen kommt Bewegung. Nächsten Dienstag will sich die Arbeitsgruppe, die eine Reform vorbereiten soll, zum zweiten Mal treffen. Davon unabhängig ist, dass auch bundesweit eine Reform der Juristenausbildung ansteht.
Die Bremer Arbeitsgruppe war letzten Sommer eingerichtet worden, nachdem der Präsident des Bremer Oberlandesgerichts, Jörg Bewersdorf, darauf hingewiesen hatte, dass Bremer Prüflinge beim zweiten Staatsexamen dramatisch schlechter abschneiden als Hamburger oder Schleswig-Holsteinische Prüflinge. Sie alle werden zentral in Hamburg geprüft. Während die Durchfallquote von Hamburger oder Schleswig-Holsteinischen Juristen in den letzten Jahren um die zehn Prozent pendelte, hatten die Bremer mit einer doppelt so hohen Quote zu kämpfen.
Die Problem-Analyse steht noch aus. Verschiedenste Erklärungen wurden angeboten: Schlechte Vorbereitung auf das erste Staatsexamen etwa, schlechte und überlastete Referendars-Ausbilder an den Gerichten, mangelhafte Übungskurse für Referendare vor dem zweiten Staatsexamen. Auch angebliche statistische Fehler beim Vergleich wurden angeführt.
Kein Wunder, dass es nun auch unterschiedliche Auffassungen über den besten Weg für bessere Noten gibt. So will man im Justizressort am liebsten den Weg zum ersten Staatsexamen stärker verschulen. Die Universität dagegen will an ihrer bisherigen, eher interdisziplinären Ausrichtung festhalten.
Bei einem Treffen mit der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen legte Justiz-Staatsrat Ulrich Mäurer die Vorstellungen des Justizressorts dar. Derzeit müssen Studenten für das erste Staatsexamen eine Hausarbeit mit sechs Wochen Bearbeitungszeit erstellen und drei Klausuren schreiben. Die Anzahl der Klausuren will Mäurer nun erhöhen – auf fünf Klausuren. Die Bearbeitungszeit für die Hausarbeit soll auf vier Wochen verkürzt werden.
Von dieser Lösung hält der Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät, Lorenz Böllinger, derzeit nicht allzu viel. „Das Justizressort hätte uns gerne gleich auf gleich mit den anderen Bundesländern geschaltet“. Vorstellen kann er sich allerdings, dass in Zukunft vier Klausuren geschrieben werden müssen, die statt 33 Prozent dann 40 Prozent der Examensnote ausmachen sollen.
An der grundsätzlichen universitären Ausrichtung in Bremen will Böllinger jedoch nicht rütteln. Und das heißt: Weiter wird das „Schwerpunkt-Studium“ favorisiert, nicht das andernorts übliche „Wahlfachstudium“. Das bedeutet: Bis zu 50 Prozent der Ausbildung können Studierende in Bremen dafür nutzen, um sich auf die verschiedensten Tätigkeiten vom Wirtschaftsprüfer bis zum Unternehmensberater vorzubereiten. An anderen Universitäten steht immer noch die Ausbildung als Richter im Vordergrund. Doch nur zwei bis drei Prozent der Absolventen werden inzwischen von der Justiz übernommen und haben eine Tätigkeit, für die sie direkt ausgebildet wurden, berichtet Böllinger. Der Großteil der frischen Juristen geht inzwischen in die freie Wirtschaft oder in andere Bereiche.
Rückenwind für das Schwerpunkt-Studium erhofft sich der Rechts-Dekan von einer externen Bewertung seines Fachbereichs. Wie alle Fachbereiche der Uni haben sich auch die Rechtswissenschaften durch den „Nordverbund“ evaluieren lassen. Im Nordverbund sind die Universitäten Bremen, Hamburg, Kiel, Oldenburg, Rostock und Greifswald zusammengeschlossen, um die Qualität von Studium und Lehre zu verbessern. Vorläufiges Ergebnis der externen Bewertung der Bremer Juristen: Super.
Denn mit ihrem Schwerpunktstudium treffen die Bremer durchaus mehr den Geist der Zeit, als die traditionellen Ausbilder, wurde argumentiert, berichtet Böllinger. Denn so könne viel leichter auf die neuen Anforderungen reagiert werden, die da heißen: Internationalisierung, Praxisorientierung, Modulisierung des Studiums und Interdisziplinarität. Im Februar soll der Endbericht vorliegen.
Bis dahin allerdings könnte eine Reform der Ausbildung bereits beschlossene Sache sein. Die Zeit drängt. Denn die Durchfallquoten müssen runter. Die Grünen in Bremen werden nun eine Große Anfrage zur Juristen-Ausbildung in der Bürgerschaft einbringen, um verstärkt Druck zu machen.
Auch die kurzfristige Bestellung eines speziellen „Ausbildungsrichters“ für die Referendare wird im Justizressort angekündigt – Referendare hatten sich beklagt, keine verlässlichen Ansprechpartner zu haben und eher als lästige Zusatzarbeit zu gelten. cd
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