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Diepgen macht der SPD was vor

■  Mit der Nominierung von Peter Kurth (Finanzen) und Christa Thoben (Kultur) hat die CDU den Senat komplettiert und zugleich die Weichen für die eigene Zukunft gestellt

Die Parteigremien mussten das Personalpaket gestern Abend nur noch abnicken. Entschieden hatte die CDU-Spitze um Parteichef Eberhard Diepgen und Fraktionschef Klaus Landowsky schon vorher: Christa Thoben (58), einst Umzugsbeauftragte der Bundesregierung unter Bauminister Klaus Töpfer, wird Senatorin für Kultur und Wissenschaft. Peter Kurth (39), bislang Staatssekretär unter Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing, darf seine geschasste Chefin beerben. Dass Innensenator Eckart Werthebach und Wirtschaftssenator Wolfgang Branoner im Amt bleiben, war ohnehin klar.

Mit dieser Senatsriege haben die CDU-Oberen all jene widerlegt, die schon das Sterbeglöckchen der Diepgen-Landowsky-Union geläutet haben. Die beiden alten Kampfgefährten, die gestern den Koalitionsvertrag mit der SPD unterschrieben, führen ihre Partei noch immer nach den Regeln professionellen Managements – die langfristige Personalentwicklung fest im Auge. Vor anderthalb Jahren schienen ihre drei Nachwuchshoffnungen, zu denen neben Kurth und Branoner auch die Abgeordnete Monika Grütters zählt, schon aufs Abstellgleis geschoben. Jetzt haben schon zwei von ihnen Ministerrang.

Bei den Sozialdemokraten entscheiden dagegen zufällige Mehrheiten in chaotisch organisierten Gremien, wer in der Hierarchie weiterkommt. Da kann es schon mal passieren, dass die erfolgreichste SPD-Senatorin einer Laune des Augenblicks zum Opfer fällt. Allenfalls beim Wegbeißen allzu qualifizierter Kräfte, das zeigt dieser Vorgang, beweisen führende Genossen langfristiges strategisches Geschick. Auf das Beharrungsvermögen der Bezirksfürsten können sie sich dabei allemal verlassen.

Solche Bezirksfürsten gibt es in der CDU erst recht, doch seit dem plötzlichen Abgang des früheren Innensenators Jörg Schönbohm fehlt ihnen eine präsentable Galionsfigur. Von jenen viel zitierten „Parteirebellen“, die unter dem Schlagwort der „Union 2000“ einst einen Zirkel der Zukurzgekommenen organisiert hatten, wurde bei der Vergabe der Senatsposten kein einziger berücksichtigt. Allenfalls in die Riege der Staatssekretäre könnte einer der Ihren noch aufrücken.

Der Wiedereinzug des Rechtsaußen Werthebach in den Senat befriedigt zwar deren Wunsch nach einem schärfer konservativen Profil – doch in ihre Seilschaften lässt sich der loyale Beamte, ein treuer Diener des Regierenden Bürgermeisters, nicht einbinden. Auch die neue Kultursenatorin Thoben ist als Quereinsteigerin aus Nordrhein-Westfalen den Berliner Seilschaften nicht verpflichtet. Die liberalen Nachwuchskräfte Kurth und Branoner haben in ihrer Partei ohnehin keine Hausmacht: Ihre eigenen Kreisverbände Wilmersdorf und Neukölln hätten ihnen um ein Haar das Parlamentsmandat verweigert. Anders als in der SPD, wo sich Parteichef Peter Strieder selbst zum einzigen Hoffnungsträger erkor, haben Diepgen und Landowsky die Weichen in die Zukunft damit in ihrem Sinne gestellt – wenn auch nur mit der halben Senatsmannschaft: Thoben und Werthebach sind so alt wie die Erblasser selbst. Aber auch Branoner oder Kurth werden in fünf Jahren noch kaum zu Nachfolgern taugen.

Die Vorbereitung des eigentlichen Machtwechsels wird ohnehin von Jahr zu Jahr vertagt. Es gehört inzwischen zum festen Ritual der Parteitage, dass Diepgens innerparteiliche Gegner laut über seine Ablösung als CDU-Chef lamentieren und ihn dann doch wieder an die Spitze der Landespartei wählen. Für das kommende Frühjahr haben sie die Machtprobe schon im Voraus abgesagt. Das Mosern bleibt vorerst in die Hinterzimmer verbannt. Ralph Bollmann

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