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■ Warum die taz diese Liste zahlungsunwilliger Firmen abdruckt

Heute läuft die Bedenkzeit von drei Wochen aus, die die „Moderatoren“ in der letzten Runde der Verhandlungen zur Entschädigung der Zwangsarbeiter vereinbart hatten. Damals hatte Otto Graf Lambsdorff, der Verhandlungsführer der deutschen Seite, von zwei sich gegenüberstehenden „Bandbreiten“ gesprochen, zwischen denen es einen Kompromiss zu finden gelte. Davon ist jetzt keine Rede mehr. Bundeskanzler Gerhard Schröder bezeichnet in einem Brief an den US-Präsidenten Bill Clinton das Angebot von acht Milliarden Mark als das definitiv letzte. Und Wolfgang Gibowski, Sprecher der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft, hielt den Anwälten der Opfer vor, sie hätten „den Ernst der Lage nicht erkannt“.

Mit dieser Lagebeurteilung hat Gibowski zwar nicht die Haltung der Opfer und ihrer Vertreter, wohl aber die der deutschen Industrie treffend benannt. Der Stiftungsinitiative für die Zwangsarbeiter ist mittlerweile das letzte Spurenelement humaner Inspiration ausgetrieben worden. Dazu hat das Insistieren der Initiatoren auf dem Fetisch Rechtssicherheit beigetragen. Aber die Hauptverantwortung tragen die Unternehmen, die Zwangsarbeiter beschäftigten und sich bis zum heutigen Tag weigern, der Stiftungsinitiative beizutreten.

Aus diesem Grund hat sich dieseZeitung entschlossen, als „letzte Mahnung“ die Firmenliste abzudrucken, die das American Jewish Committee dankenswerter ausgearbeitet hat. Diese Liste 267 deutscher Unternehmen, die Zwangsarbeit nutzten, besitzt gegenüber den bereits veröffentlichten Listen den Vorteil, praktikabel zu sein. Praktikabel für die Opfer, aber auch für eine kritische deutsche Öffentlichkeit.

Denn der Kampf um die Anerkennung des Leidens und der Würde der ehemaligen Zwangsarbeiter ist nicht nur eine Sache der Anwälte und der Regierungen, die sie heute vertreten. Er ist in erster Linie die Sache der Deutschen. Für all jene unter uns, die sich schämen angesichts der Verweigerer, stellt sich die Frage, ob sie noch Produkte von Firmen erwerben wollen, die bei ihrem „Nein!“ zur Stiftungsinitiative bleiben wollen. Man wende nicht ein, dies würde den Ruin mittelständischer Unternehmen bedeuten. Jeder kann seinen Beitrag festlegen, und er kann auch darauf vertrauen, dass die Anwälte der Opfer im Fall des Scheiterns der Verhandlungen wissen, an wen sie sich halten.

In den nächsten Tagen und Wochen wird die taz eine Reihe von Firmen aus der Verweigerungsfront porträtieren, die ein breites Konsumenteninteresse ansprechen. Vielleicht kann die Souveränität des Käufers bewirken, was Appelle nicht schafften. taz

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