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Die Kulturmacherin

Die Künstler wünschten sich einen Intellektuellen als Senator. Sie bekamen eine Politikerin  ■   Von Ralph Bollmann und Rolf Lautenschläger

Sie haben sich einen Intellektuellen gewünscht und eine Politikerin bekommen. Jetzt reagieren die Berliner Kulturschaffenden mit Empörung. „Von Kultursenatoren der CDU halte ich sowieso nichts“, ließ der Schriftsteller Stefan Heym wissen, und für den Verleger Arnulf Conradi riecht Christa Thobens Berufung „nach Sparzwang und Technokratie“.

Einen feinsinnigen Intellektuellen hätten sich die Künstler und Gelehrten als Senator für Kultur und Wissenschaft gewünscht. Jemanden, der die Niederungen der Parteipolitik verabscheut und im Theaterfoyer genauso kenntnisreich zu parlieren versteht wie auf einem wissenschaftlichen Symposium.

Die Kulturszene darf dankbar sein, dass ihr Wunsch nicht in Erfüllung ging. Nur ein einziges Mal stand ein parteiloser Intellektueller an der Spitze der Berliner Kultur. Der Mann hieß Ulrich Roloff-Momin und verwandelte die westliche City durch die Schließung zweier Theater in eine kulturelle Wüste. Was von seiner Amtszeit blieb, ist ein larmoyantes Erinnerungsbuch mit dem bezeichnenden Titel „Zuletzt: Kultur“.

Als der Politprofi Peter Radunski vor vier Jahren Roloff-Momins schweres Erbe antrat, übergoss ihn die Kulturszene mit Häme. Berlins Schöngeister setzten zum intellektuellen Tiefflug an: Schon allein Radunskis untersetzte Statur musste als gewichtiges Argument gegen den einstigen Wahlkampfmanager der Bundes-CDU herhalten. Als er eine seiner ersten Reden mit den Worten „Viva il teatro“ schließen wollte und stattdessen „vivo“ sagte, bescherte ihm dieser Fauxpas in der Kulturszene den endgültigen Verlust der Satisfaktionsfähigkeit.

Nur langsam setzte sich dann die Einsicht durch, dass Radunski den Kulturetat viel besser gegen die Begehrlichkeiten seiner Senatskollegen zu verteidigen wusste als sein wenig einflussreicher Vorgänger. Und auch seine schärfsten Kritiker mussten am Ende zugeben, dass von den vielen Personalentscheidungen seiner Amtszeit nicht alle unglücklich waren. Claus Peymann ans Berliner Ensemble, Udo Zimmermann an die Deutsche Oper: Damit setzte Radunski Akzente.

Eine Impressaria ist auch die neue Kultursenatorin Christa Thoben nicht. Eher geht die Frau von 58 Jahren die Sache pragmatisch an – und ist dabei gut für Überraschungen. Ihr früherer Chef, Ex-Bundesbauminister Klaus Töpfer (CDU), bezeichnete seine Staatssekretärin einmal als „Macherin“ des Regierungsumzugs, die „mit Esprit“ das komplexe Umzugsmanagement über die Bühne brachte. Mut zu „klaren Worten“ und zur Veränderung bescheinigte ihr „Ziehvater“ Kurt Biedenkopf. Und keiner hat sich in der nordrhein-westfälischen CDU in den 80er-Jahren so weit aus dem Fenster gelehnt wie Thoben. 1987 schloss die damalige Abgeordnete eine Zusammenarbeit mit den Grünen „unter bestimmten Bedingungen“ nicht aus.

Das hat gesessen – und Thoben den CDU-Fraktionsvorsitz im Düsseldorfer Landtag gekostet. Aber bereut hat sie den Vorstoß bis dato nicht.

Braucht Berlin eine so sachliche wie provokante Kultursenatorin? Als die Statthalterin Töpfers in Berlin zwischen 1994 bis 1998 vom einstigen Staatsratsgebäude aus den Umzug organisierte, sei sie abends ins Varieté oder ins Theater gegangen, erzählte Thoben einmal. Auch dass sie die Malerei liebt und Bilder sammelt. Mehr kulturelle Ambitionen waren ihr nicht zu entlocken. Doch Thoben hat sich in ihrer politischen Arbeit den Herausforderungen immer gestellt, wenn diese besonders schwierig waren. Und Kultur ist in Berlin schwierig, das finanzielle Korsett eng bemessen. Entscheidungen stehen an, strukturelle Reformen sind nötig, Handeln ist angesagt – alles Lieblingsvokabeln von Christa Thoben.

Mut zu klaren Worten hat die CDU-Politkerin immer bewiesen. Die gebürtige Westfälin (1941) studierte in Münster, Wien und Innsbruck Betriebs- und Volkswirtschaft, bevor sie ins Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung wechselte.

Als Fachfrau für Wirtschaftsfragen holte sie Biedenkopf 1980 ins Düsseldorfer Parlament, wo sie sich durch scharfzüngige Reden und Fachwissen zur Energiepolitik Respekt verschaffte. Dass dies einige Männern zu der Ansicht verleitete, sie sei karrieregeil, ärgert Thoben heute noch immer. Ehrgeizig sei sie immer gewesen, sagt Thoben, und selbstbewusst: „Damals sind diese Begriffe als Waffe benutzt worden von einigen, die sich nicht vorstellen konnten, dass Frausein und Karriere etwas Normales sein kann.“

Die Karriere in Institutionen der Wirtschaft und Ämtern der Politik hat die Frau mit der klaren Sprache und dem manchmal spröden Charme nie ganz nach oben geführt. Sie wurde Ende der 80er-Jahre ins CDU-Präsidium als Fachfrau für Wirtschaftsfragen gewählt, reüssierte als Umzugsbeauftragte, kandidierte gegen Bernhard Worms und Jürgen Rüttgers für die CDU-Spitze am Rhein und war immer im Gespräch, wenn es bei der CDU um Posten ging. Letztendlich aber repräsentierten Männer die Domäne, in der sich Thoben durch Beweisen von Kompetenz immer eine Platz verschaffen wollte. Jetzt ist sie am Ziel.

Ein reines Vergnügen ist der neue Job trotzdem nicht. Bei allen Verdiensten hinterlässt ihr Vorgänger gleich reihenweise ungelöste Probleme. Radunski, einst Bundesgeschäftsführer der CDU, hat das parteiinterne System der schwarzen Konten offenbar auf den Berliner Kulturetat übertragen: In den einzelnen Theatern sammelten sich Defizite an, die in seinem offiziellen Rechenschaftsbericht an die Finanzsenatorin nie auftauchten. Der einzige Unterschied: Die überzogenen Etats waren allgemein bekannt.

Auf rund 50 Millionen Mark summieren sich die Löcher, die Thoben nun stopfen muss. Will sie Theaterschließungen vermeiden, muss sie für die großen kulturellen Tanker flexiblere Organisationsformen finden. Doch geht es nicht allein um Geld. Die Aufgaben der drei Opernhäuser etwa wird sie neu definieren müssen, notfalls gegen den Widerstand der Intendanten: Dass beispielsweise die Staatsoper ausgerechnet ihr einzigartiges Barockrepertoire aufgeben will, kann eine Kulturpolitik mit Blick fürs Ganze nicht durchgehen lassen. Auch über einen neuen Intendanten für das Maxim Gorki Theater und die Zukunft des leer stehenden Metropol-Theaters wird Thoben entscheiden müssen – ganz zu schweigen von der Reform der Hochschullandschaft: Genug Themen, mit denen sie sich unter den Intellektuellen Feinde schaffen kann.

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