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Freundlich behandelt wie nie

Deutsche Staatsbürger begleiteten Flüchtlinge in die Ausländerbehörde. Und sahen die Vorwürfe über die Umgangsformen dort bestätigt  ■ Elke Spanner

Fragen zu stellen, hat sich Peter Diekmann nicht getraut. Froh war er, endlich dran zu kommen. Zwei Stunden hatte er mit einer armenischen Familie bereits frühmorgens im Wartesaal der Ausländerbehörde gesessen, als endlich ihre Nummer aufgerufen wurde. Als sie vor der Sachbearbeiterin standen, hatte die falsche Akten auf dem Schreibtisch liegen. Wieder raus, wieder warten, weitere zwei Stunden lang. Als sie schließlich das Büro betreten durften, hatte er Angst, etwas falsch zu machen, und schwieg. Die armenische Familie freute sich darüber, in der Amsinckstrasse „noch nie so freundlich behandelt worden zu sein“. Diekmann hatte einen Kloß im Hals.

Im Rahmen des Projektes „BürgerInnen beobachten die Ausländerbehörde“ hatte der Schlosser die armenische Familie begleitet. Vier StudentInnen hatten das Projekt initiiert und Anfang September „ganz normale BürgerInnen“ dazu aufgerufen, „sich ein Bild vom Alltag in der Ausländerbehörde zu machen“. 30 Menschen hätten sich daraufhin gemeldet, sagt Mitinitiatorin Almut Jöde. 32 Mal seien Alleinstehende oder Flüchtlingsfamilien in die Amsinckstrasse begleitet worden. „Die Vorwürfe, die gegen die Ausländerbehörde zuvor erhoben worden waren, haben sich bestätigt“, resümiert Jöde.

Ein Begleiter habe von der „systematischen Demütigung“ der Flüchtlinge gesprochen. Aus nichtigen Anlässen hätten Wachleute mit der Polizei gedroht. Die Wartenden wären nicht in der Reihenfolge ihrer Nummern aufgerufen worden, so dass sie sich über Stunden nicht getraut hätten, auf Toilette zu gehen. Und dass Nichtdeutsche einfach geduzt werden, sei oft eine Selbstverständlichkeit.

Diekmann hatte es zuvor nicht glauben wollen, wenn er Meldungen über den Umgang mit Flüchtlingen in der Ausländerbehörde las. Das Bild vor Augen, wie er jüngst im Bezirksamt seinen Paß verlängern ging, erwartete er eine Behörde wie jede andere. Dann musste er im Eingangsbereich an uniformierten Wachleuten vorbei. Stieg durch vergitterte Treppenhäuser, durchquerte Sicherheitsschleusen und gab die Papiere der Familie durch ein Gitter an Wachleute ab. Und er beobachtete die Flüchtlingskinder, die in einer Ecke des kahlen Wartesaals Gefängnis spielten.

Während viele BegleiterInnen schockiert gewesen seien über die kurzangebundene Behandlung durch die SachbearbeiterInnen, hätten die Flüchtlinge sich gefreut, „diesmal nicht wie ein Hund behandelt worden zu sein“, wie einer es laut Jöde formulierte. Deshalb soll das Projekt weitergeführt werden. Vermutlich werden die BegleiterInnen künftig aber nicht mit einzelnen Flüchtlingen zur Sachbearbeitung gehen, sondern im Wartesaal für alle ansprechbar sein.

Der Sprecher der Ausländerbehörde, Norbert Smekal, tat die Kritik gestern als „bewusst pauschale Vorwürfe“ ab, da es dem Projekt „nicht um eine objektive Betrachtung der schwierigen Tätigkeit der Mitarbeiter“ gegangen sei.

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