Grüner Konsens diese Woche

Bündnis 90/Die Grünen wollen sich bis übermorgen zum Atomausstieg einigen. Staatssekretäre schlagen angeblich 30 plus 3 Jahre Laufzeit vor  ■   Aus Berlin Tina Stadlmeyer

Die Grünen suchen fieberhaft nach einem Zeitplan für den Atomausstieg, dem sowohl die Landesverbände, eine satte Mehrheit in der Bundestagsfraktion und die beiden Minister Joschka Fischer und Jürgen Trittin zustimmen können. Unterdessen scheint eine Einigung innerhalb der Bundesministerien näher zu rücken.

Am Montag will sich der Bundesvorstand auf einen Kompromiss einigen. Am Dienstag ist die Fraktion an der Reihe. Der grüne Bundestagsabgeordnete Winfried Hermann hält es für möglich, dass sich die Fraktion am Dienstag auch mit Umweltminister Trittin auf Eckpunkte für ein Ausstiegsgesetz einigt. Eine Lösung könnte darin bestehen, dass kürzere Übergangszeiten festgeschrieben werden. Dies würde bedeuten, dass noch in dieser Legislaturperiode mindestens zwei Atomreaktoren abgeschaltet werden müssen. Trittin bestand bislang gegenüber seinen Parteifreunden darauf, dass in dem Gesetz eine Laufzeit von „höchstens 30 Jahren“ festgelegt wird. Falls die Unternehmen ein Kraftwerk früher vom Netz nähmen, dürften sie dafür ein anderes länger betreiben.

AKWs, die schon länger als 30 Jahre laufen, will Trittin eine bergangsfrist von drei Jahren einräumen. Dieser Vorschlag ist angeblich bereits mit Bundeskanzler Schröder abgestimmt. Er bedeutet, dass in dieser Wahlperiode kein Reaktor mehr vom Netz gehen wird. Damit sind die Vertreter zahlreicher Landesverbände und etwa 20 Mitglieder der Bundestagsfraktion nicht einverstanden. Das Kanzleramt befürchtet, dass die Kraftwerksbetreiber im Falle kürzerer Fristen eine einstweilige Anordnung des Verfassungsgerichts erreichen könnten. Das wäre auch für Trittin eine politische Katastrophe, denn das Ausstiegsgesetz läge dann für ein bis zwei Jahre auf Eis.

Die beiden Sprecher der Bundestagsfraktion, Kerstin Müller und Rezzo Schlauch, wollen am Dienstag deshalb einen Kompromissvorschlag vorlegen. Dabei geht es nicht nur um die AKW-Laufzeiten, sondern auch um die anderen Bestandteile des Ausstiegsgesetzes. Zum Beispiel um ein Verbot der Aufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe, die Reduzierung von Atomtransporten, das Anheben der AKW-Versicherungssummen und das Festschreiben von Sicherheitsstandards nach aktuellem Stand der Technik auch für alte Reaktoren.

Eberhard Meller, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke (VDEW), hält einen Kompromiss für möglich. Der Vorschlag von Umweltminister Trittin, die Begrenzung der Laufzeiten flexibel zu gestalten, sei „sehr gut“. Die Atomkonzerne würden sich auf Laufzeiten von 35 Volllastjahren einlassen, das entspreche ungefähr 38 Kalenderjahren. Allerdings müsse die Regierung zusagen, dass die Atomtransporte bald wieder aufgenommen werden dürfen.

Das Handelsblatt meldet in seiner heutigen Ausgabe, dass der lange erwartete Vorschlag der sogenannten Staatssekretärsrunde vorliegt. Die Staatssekretäre der Ressorts Umwelt, Auswärtiges, Innen und Justiz sollen einen Kompromiss innerhalb der rot-grünen Regierung ausarbeiten. Das Gremium hätte sich auf eine Laufzeit der Reaktoren von „30 plus 3 Jahren“ geeinigt, meldet die Zeitung. Sie hielten eine Beschränkung der Laufzeiten der 19 Reaktoren nur dann für verfassungsgemäß und „gerichtsfest“, wenn 30 Jahre nicht unterschritten würden. Für Meiler, die älter als 30 Jahre seien, solle eine Übergangszeit von drei Jahren bis zur Abschaltung gelten.