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Permanenter Widerstand

Ein Ausstellung in der Stabi widmet sich dem Lebenswerk des jüdischen Malers und Publizisten Arie Goral-Sternheim  ■ Von Philip Oltermann

Wann immer in Hamburg öffentlich über den Faschismus diskutiert wurde, konnte man ihn mit Sicherheit zu den Zuhörern und meistens auch Zurufern zählen: ein auf den ersten Blick eher unscheinbarer Mensch mit etwas kauzigem Äußeren; die überdimensionale, oft verrutschte Brille erweckte fälschlicherweise den Eindruck von Desinteresse. Arie Goral-Sternheim, der in diesem Jahr 90 geworden wäre, war Jude, Deutscher, Sozialist, Maler, Schriftsteller und vor allem eines: ein kritischer Denker mit wachem Auge für Ungerechtigkeiten von links und rechts.

Geboren 1909 in Rheda, verbringt Goral seine Kindheit in Hamburg, im damaligen jüdischen Zentrum der Stadt, dem Grindelviertel. Auch während des 20-jährigen Exilaufenthalts in Frankreich, Palästina und Italien bleibt das Viertel Bezugspunkt in seinem Leben. „Der Grindel war kein Ghetto. Es war ein Stadtteil, in dem Juden und Nichtjuden lebten.“

In der Ausstellung Gänge am Grindel zeichnet das Hamburger Institut für Sozialforschung mit Foto- und Textmaterial den Lebenslauf Gorals nach und gedenkt unter anderem der Auswirkungen seines Schaffens auf die politische Geschichte der Hansestadt. Schon der Standort, der Katalogsaal der Universitätsbibliothek, weist auf eines der Resultate seines Engagements hin: In den 80er Jahren war die Stabi erst durch Gorals Nachhaken nach seinem Streitgefährten Carl von Ossietzky benannt worden.

Mit dieser politisch und kulturell so aktiven Phase im Leben des Malers und Publizisten beschäftigt sich jedoch nur ein Teil der Austellung. Der erste Abschnitt dokumentiert die 20er und frühen 30er Jahre, das Ende der jüdischen Emanzipationsbewegung und die Bemühungen Gorals und gleichgesinnter Jugendlicher, den Anfängen des erstarkenden Antisemitismus zu wehren. Diese bestehen unter anderem darin, das Denkmal Heinrich Heines vor nationalsozialistischen Beschmierungen zu schützen. Und auch nach dem Krieg ist es einmal mehr eine Initiative Gorals, welche die erneute Errichtung eines Denkmals für den Dichter auf dem Rathausmarkt erwirkt.

Nachdem Arie Goral-Sternheim 1934 nach Frankreich emigriert war, gelingt ihm am Heiligabend desselben Jahres die Einwanderung nach Palästina, wo er seine ersten Gedicht- und Prosawerke verfasst und sich einem seiner ehrgeizigsten Projekte widmet: der künstlerischen Arbeit mit Kindern. Nach einem kurzen Aufenthalt in Italien sind es dann auch die Bilder isrealischer Kinder unter der pädagogischen Schirmherrschaft Gorals, die zum ersten Mal nach dem Krieg wieder das hiesige Interesse an seiner Arbeit wecken. Auf eine Einladung Erich Kästners hin kommt er 1953 mit seinen jungen Künstlern zurück nach Deutschland und schließlich auch mit einer Ausstellung nach Hamburg. Auch bei seiner pädagogischen Jugendarbeit im „Jungen Studio“ ist es Goral wichtig, die Grenze zwischen Kunst und Politik zu überschreiten: Als er mit anderen im Frühjahr 1958 auf dem Rathausmarkt gegen die atomare Aufrüstung demonstriert, wird die Optik der Veranstaltung von der antimilitaristischen Plakatkunst des „Jungen Studios“ geprägt.

Durch die Erkenntnis, dass die politischen Kräfte der Stadt es lieber sähen, wenn Goral sich in seiner Tätigkeit auf die Kunst beschränke, wird der Aktionsradius des mittlerweile 50-Jährigen nur noch größer. Er engagiert sich nicht nur gegen die erneute Stigmatisierung der Juden als Opfernation, sondern protestiert auch gegen das Vergessen von Nazi-Verbrechen – wie im „Fall Hofstätter“. Hofstätter, ehemaliger Heerespsychologe und mittlerweile Professor für Psychologie an der Universität Hamburg, hatte in einem Interview die Massenmorde des NS-Regimes als „Kriegshandlungen“ legitimiert.

Auf ähnlich direkte Weise setzt sich Goral-Sternheim in der Dokumentation „Heil Weber“ für die Aufdeckung der Vergangenheit des Graphikers und Satirikers A. Paul Weber ein, den die neuen Linken – paradoxerweise – zu ihrem Idol erhoben hatte. Goral, dem Webers Arbeit noch aus der Vorkriegszeit bekannt war, macht publik, daß dieser damals mit antisemitischen Zeichnungen sein Geld verdient hatte. In einem Offenen Brief an die wiedererstarkende NPD schreibt Goral 1969: „Als ich nach zwanzigjähriger Emigration wieder nach Deutschland kam, dachte ich auch im Traum nicht daran, daß ich hier noch einmal gezwungen sein würde, gegen den Neonazismus Widerstand zu leisten.“

„Gänge am Grindel“, bis 15. Januar, Mo - Fr 9 - 21 Uhr, Sa 10 - 13 Uhr, Katalogsaal der Staats- und Universitätsbibliothek Carl von Ossietzky

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