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Wer keinen Terror macht, kriegt auch keinen Ärger

Je länger die ETA im Baskenland keine Bomben wirft, desto sympathischer wird sie in den Augen anderer Basken. Die spanische Regierung ist über diese Annäherung sauer

Madrid (taz) – Josep Pique nimmt kein Blatt vor den Mund: „Die PNV hat der Erpressung nachgegeben.“ Der spanische Regierungssprecher geißelt damit die Politik der gemäßigten Baskisch-Nationalistischen Partei (PNV) als Kniefall vor der bewaffneten Separatistengruppe ETA, nachdem diese ihren seit 14 Monaten andauernden Waffenstillstand aufkündigte. Zwar blieb bisher die für den 3. Dezember vorgesehene Rückkehr der ETA zu bewaffneten Aktionen nur eine leere Drohung, doch auch so ist es der ETA gelungen, die baskische Politik zu beeinflussen wie nie zuvor. Die PNV schwenkt immer mehr auf die Linie der Untergrundorganisation ein und vollzieht Schritt für Schritt den von der ETA geforderten „radikalen Bruch mit Madrid“.

Bereits ein Tag vor Ende des Waffenstillstandes veröffentlichte die PNV ein Dokument, in dem sie dem politischen Arm der ETA, der Partei Herri Batasuna (HB) und deren Wahlbündnis Euskal Herritarrok (EH), „die Hand reicht“, um einen „neuen politisch-juristischen Rahmen“ zu schaffen, „der den Basken das Recht gibt, ihre Zukunft, ihre inneren und äußeren Beziehungen zu gestalten“.

Die Reaktionen aus Madrid ließen nicht lange auf sich warten. „Die nationalistischen Parteien im Baskenland stehen dem Europa des Kosovo, ein Sinnbild für den Ausschluss und die ethnische Säuberung, wesentlich näher als dem Europa des Euro“, wetterte Regierungschef José María Aznar. Er erinnerte die Nationalisten daran, dass sie in der baskischen Autonomie nur mit der Hälfte der Wähler rechnen können. Der Rest wählt spanienweit agierende Parteien.

Als hätte die PNV auf eine solche Beschimpfung nur gewartet, kündigte sie der konservativen Madrider Minderheitsregierung die Unterstützung auf. Als erster Schritt werden die Nationalisten gegen den Haushalt für das kommende Jahr stimmen. Die ETA-nahe EH zollte Beifall und legte einen „Vorschlag für die Unabhängigkeit“ vor. Sie wollen klandestine Wahlen zu einer „Baskischen Konstituierenden Versammlung“ ausrufen – nicht nur in den drei Provinzen der baskischen Autonomie, sondern auch im benachbarten Navarra, das die Nationalisten seit je einfordern, und in den drei baskischen Provinzen in Frankreich.

Verurteilte die PNV einen ähnlichen Vorschlag seitens ETA im August noch als „äußerst sonderbar“ – in Navarra erzielen alle Nationalisten zusammen nur 20 Prozent der Wählerstimmen, in den französischen Provinzen gar nur 10 Prozent –, so bezeichnet der Sprecher der gemäßigten Nationalisten, Joseba Egibar, den Vorschlag jetzt als „Basis für eine mögliche Einigung“.

Während die PNV sich selbst zu ihrer „Friedenspolitik“ und dem Ausbleiben von ETA-Anschlägen gratuliert, kommt aus Madrid Schelte. Der sozialistische Oppositionsführer Joaquín Almunia fordert die PNV auf, „zurückzukehren ins Lager der Demokraten“ und „gemeinsam gegen den Terrorismus vorzugehen“. Der Vorsitzende von Aznars Volkspartei (PP) im Baskenland, Carlos Irtugaiz, forderte gestern gar die Auflösung des Autonomieparlaments und Neuwahlen, denn die PNV habe für eine Annäherung an die ETA keinen Wählerauftrag. Parteiinterne Streitigkeiten bei der PNV geben ihm Recht. Reiner Wandler

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