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Verliebt, verlobt, verheiratet, verhaftet

Ein Türke kam gleich nach der Trauung mit einer Deutschen in den Abschiebeknast

Knast statt Hochzeitstorte: Am Freitagnachmittag wurde ein Türke, der abgeschoben werden soll, direkt nach seiner Heirat mit einer Deutschen verhaftet. Unmittelbar nach der Traung im Standesamt Treptow und vor der Hochzeitsfeier schlugen die Beamten der Ausländerbehörde zu.

Ismail D. wurde in die Haftanstalt Grünau gebracht, wo er noch immer einsitzt. Ihm droht die Abschiebung in sein Geburtsland Türkei. Sein Anwalt Peter Meyer beantragte sofort eine Aufenthaltserlaubnis und eine einstweilige Anordnung beim Verwaltungsgericht. Beide Entscheidungen stehen noch aus.

Bekannt sind Fälle von Verhaftungen von Ausländern bei der Aufgebotsbestellung in Standesämtern, nicht aber nach Eheschließungen. Nach der Heirat mit einem deutschen Partner darf nicht mehr abgeschoben werden, da ein Ausländer dann Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis hat.

Von der Ausländerbehörde war gestern keine Stellungnahme zu bekommen. Meyer zufolge begründet sie ihre Aktion damit, dass Ismail D. keine Aufenthaltserlaubnis beantragt habe. Das hat der Anwalt inzwischen getan. Wichtiger sei für die Behörde offenbar, dass eine Ausreiseaufforderung gegen Ismail D. vorliege.

Ismail D. kam vor fünf Jahren nach Berlin und lebte bei seinem Vater. Sein Vater und seine kleinen Geschwister bekamen eine Aufenthaltserlaubnis, Ismail D. nicht, da er während des Verfahrens volljährig wurde. So galten für ihn andere rechtliche Bedingungen als für seine Geschwister.

Über seine Aufenthaltsserlaubnis sollte dann das Oberverwaltungsgericht entscheiden. Die Ausländerbehörde versicherte, Ismail D. bis zu einer Entscheidung nicht abzuschieben, und setzte dem Gericht eine Frist. Die überschritt das Gericht – wahrscheinlich aus Versehen, wie Meyer vermutet. Ismail D. drohte die Abschiebung. Er stellte einen Asylantrag, der abgelehnt wurde. Daraufhin forderte die Ausländerbehörde Ismail D. zur Ausreise auf. Vor sechs Wochen bestellten Ismail und seine Freundin das Aufgebot und legten einen Hochzeitstermin fest. Das erfuhr die Ausländerbehörde. Allerdings darf bei einem festen Hochzeitstermin nicht mehr abgeschoben werden. „Die Ehe steht im Grundgesetz unter besonderem Schutz“, sagt Peter Meyer, „das geht vor Richtlinien der Ausländerbehörde.“

Die läßt sich davon anscheinend nicht beeindrucken. Die Motive der Behörde für ihren Zugriff bleiben unklar. „Die wollten Ismail immer abschieben, und das konnten sie nicht“, glaubt Meyer, „mir erscheint das wie ein Rachefeldzug.“ Isabel Merchan

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