Der abgeschlossene Roman: Janes Traummann
■ Wir erzählen dort weiter, wo der Klappentext endet. Heute: Joan Barfoot und ihr Mr. Smith
Kein Mensch hat heutzutage noch Zeit, ein Buch zu lesen. Selbst Bibliophile kommen selten über den Klappentext hinaus. Wir schaffen jetzt Abhilfe. Und erzählen dort weiter, wo der Klappentext aufhört. Den ganzen Roman. Bis zum Ende.
Jane Smith, normalerweise keine besonders unternehmungslustige Frau, schreibt gerade einen Brief, der ihr Leben verändern wird. Jane antwortet auf die Kontaktanzeige eines Strafgefangenen. Und von nun an kreisen alle ihre Gedanken und Gefühle um den Unbekannten in seiner Zelle, den sie sich zu ihrem idealen Partner phantasiert, zu ihrem Mr. Smith. Bis eines Tages ein Fremder vor ihrer Tür steht ...
„Guten Tag“, sagt der Fremde. „Ich bin Mr. Smith, der Traum ihrer schlaflosen Nächte.“ Jane Smith ist sprachlos. Genau so hatte sie sich ihren Partner in ihren schlaflosen Traumnächten immer ausgemalt: 150 Kilo Mann, verteilt auf stattliche 70 Zentimeter, Markensonnenbrille im zurückgekämmten Haar, das ihm ölig bis aufs blutverschmierte Muskelshirt fällt, welches nur mühsam den von Tätowierungen übersäten Öberkörper verdeckt. „Mr. Smith“, haucht sie durch einen überwältigenden Hurrikan aus kreisenden Gedanken und im Dreieck hüpfenden Gefühlen, „kommen Sie doch herein und heiraten mich.“
Mr. Smith kam herein und heiratete diese hinreißend unternehmungsunlustige Frau auf der Stelle. Achtzehn Kinder setzten sie in die Welt. Neun von ihnen landeten im Knast, weil Vati erzählt hatte, dass das der rechte Weg zum Glück sei. Ihre neun Geschwister hingegen starben früh an totaler Antriebsarmut. zott
Der Klappentext stammt aus dem Roman Joan Barfoot: Warten auf Mr. Smith, Fischer Taschenbuch, 1997
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