: Mit Blechhosen gegen die Angst
Homosexuelle und Polizei haben seit jeher ein feindliches Verhältnis zueinander. Inzwischen weichen die Fronten auf. Eine Tagung in Bonn versuchte, gegenseitiges Misstrauen weiter abzubauen ■ Aus Bonn Jan Feddersen
Im Frühsommer 1980 machte sich in Hamburg eine Gruppe von schwulen Männern auf, um einen Beweis zu sammeln. Sie gingen nachts auf die öffentliche Toilette am Spielbudenplatz und zertrümmerten dort einen Spiegel. Hinter ihm entdeckten sie einen Raum, von dem aus Polizeibeamte das (sexuelle) Treiben an den Pinkelrinnen beobachten konnten. Es war einer der größten politischen Skandale jenes Jahres: Hamburgs Polizei bespitzelt Schwule, um deren Namen in Rosa Listen, deren sich auch schon das NS-Regime bedient hatte, einzutragen.
Homosexuelle hatten an ihren Örtlichkeiten, selbst in Kneipen, immer Angst vor der Polizei. In Grünanlagen jagten Polizisten nicht die Männer, die Schwule nachts beim Cruisen überfallen, sondern die Opfer – als Verdächtige, die sich nicht beklagen sollen, wenn sie an solch dunklen Orten körperlich behelligt werden.
Seit Anfang der Neunzigerjahre beginnt sich das Verhältnis zwischen Homosexuellen und Polizei zu entspannen, was nicht zuletzt mit der Gründung von Arbeitskreisen lesbischer und schwuler Polizeibediensteter (in Nordrhein-Westfalen und Berlin vor allem) zu tun hat. Eine Tagung in Bonn, ausgerichtet vom Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD), sollte weiter dazu beitragen, die Furcht des Homosexuellen vor der Polizei abzubauen.
Fast 100 Männer und Frauen waren gekommen, die meisten heterosexuell, Beamte, die innerhalb ihrer Polizeidirektionen und Landeskriminalämter als Ansprechpartner für schwule und lesbische Polizisten fungieren. Als Ombudspersonen, die sich mit Beschwerden aus dem Apparat selbst befassen müssen. Mit kleineren und größeren Diskriminierungen. Da werden homosexuelle Polizisten bei der Beförderung übergangen; da findet eine lesbische Polizistin plötzlich keinen Kollegen mehr, der mit ihr auf Streife fahren will; da weigert sich ein Polizist, mit seinem schwulen Kollegen Schicht zu schieben; da schmieren heterosexuelle Kollegen ihrer lesbischen Kollegin Säure auf ihren Diensttelefonhörer. Zu beweisen ist solcherlei Mobbing nur sehr selten – niemand will am Ende dazu stehen, Homosexuelle nicht ausstehen zu können.
Und mit erstaunlicher Souveränität berichteten in diesem Zusammenhang manche Heterokollegen, wie sie erstmals selbst Opfer von schlüpfrigen Nachfragen im Kollegenkreis wurden, als sie für diese Tagung dienstfrei beantragten: „Hast du auch ne Blechhose mitgenommen?“ Berührungsängste, von denen auch das Bundesinnenministerium nicht frei zu sein scheint. Auch auf dreimalige Einladung mochte sich die sozialdemokratische Schily-Behörde nicht dazu bequemen, ein Grußwort in Bonn zu sprechen: Homos machen keine Wählerstimmen?
Das Resümee der meisten Beiträge war eindeutig: Nicht überall gibt es Ombudsbeamte für homosexuelle Polizisten; vor allem in Süddeutschland fehlt es am politischen Willen, die (meist subtile, aber deutliche) Gewalt gegen die nicht heterosexuellen Kollegen zum Thema zu machen. Selbst dort, wo ein Bundesland wie Nordrhein-Westfalen, unterstützt vom Landes- wie Bundeskriminalamt, umfassende Aufklärungsprogramme zu etablieren sucht („Liebe verdient Respekt“), hapert es: Die Düsseldorfer Landesregierung sah sich nicht imstande, das von ihr selbst erdachte Konzept auch öffentlich zu preisen.
Dabei geht es den schätzungsweise 17.000 schwulen und lesbischen Polizeibeamten nicht um Propaganda für ihre Lebensweise – sondern um den Respekt für ihre Art der Liebe. Morgendliche Angebergespräche zum (hetero-)sexuellen Verlauf des Wochenendes, keine Einladungen zu Kollegenpartys – Georg Kriener vom LKA Düsseldorf und Hans-Joachim Braun, Polizeidirektor der Wasserschutzpolizei in Kiel, wussten es auf den Punkt zu bringen: Anti-homosexuelle Diskriminierung der Polizei richtet sich in erster Linie gegen Schwule und Lesben in den eigenen Reihen.
Offen blieb, wie dramatisch die Quote antihomosexueller Gewalt außerhalb der Polizei tatsächlich ausfällt. Gemessen an Überfällen gegen Ausländer vermutlich verschwindend, so Jens Dobler, beim LSVD der Verantwortliche für dieses Thema. In diesem Zusammenhang gab es die einzige politische Differenz unter den Tagungsteilnehmern. Soll, wie Homoorganisationen noch vor fünf Jahren forderten, das Merkmal „homosexuell“ bei den Ermittlungsarbeiten nach Überfällen erfragt werden? Wäre dies hilfreich, um in der Polizeilichen Kriminalstatistik ein eigenes Deliktfeld zu belegen, auf dass die Politik diese Kriminalität ernst nimmt?
Aber würde damit nicht wieder Stoff für Rosa Listen gesammelt? Michael Baurmann vom Bundeskriminalamt hält diesen Plan für zwiespältig: Ein solches Label könne die zutreffende Zahl von Gewaltakten gegen Homosexuelle nicht erbringen, denn die meisten Opfer würden aus Angst vor Diskriminierung entweder eine Antwort verweigern oder lügen.
Das Forum war sich nicht einig. Nur in einem Punkt schüttelten dessen Teilnehmer einträchtig die Köpfe: Als berichtet wurde, dass in der nordrhein-westfälischen Polizei-Gewahrsamsordnung Homosexuelle noch einen ähnlichen Rang genießen wie Zuhälter und Prostitutierte.
Und einig war man sich auch darin: Die nächste Tagung möge von weiteren Erfolgen berichten. Und einen Vertreter der offiziellen Politik begrüßen können.
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