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Alte Bekannte im Vorgarten der Polizei

■ Wilhelmsburg wurde wegen Bombenentschärfung evakuiert: Alles lief nach Plan

„Das war eine alte Bekannte für uns“, sagt Sprengmeister Manfred Schubert und hält stolz den demontierten Zünder hoch. Augenblicke zuvor konnten er und sein Kollege Peter Voß per grüner Leuchtkugel Entwarnung für Wilhelmsburg-Nord geben. Wieder einmal haben die beiden gestern eine englische 1000 Pfund Fliegerbombe entschärft. Diese lag seit über 50 Jahren im Vorgarten der Ex-Polizeiwache an der Georg-Wilhelm-Straße im Verborgenen.

Die Bombe war Dienstag geortet worden. Nach Auswertung historisch-alliierter Luftaufnahmen – seit 1985 als Ausleihe in Hamburg – hatte der Kampfmittelräumdienst der Feuerwehr gezielt nach dem Blindgänger im Erdreich gebuddelt und war in 3,50 Metern Tiefe fündig geworden. Das Gelände ist als Schulerweiterungsbau vorgesehen.

Auch wenn Voß und Schubert schon 200 derartiger Bomben entschäft haben, „die Zünder immer dieselben sind“, so Schubert, berge jedes Exemplar „ein Gefahrenrisiko in sich“. Bei eine Detonation würden Häuser in umittelbarer Nähe zerstört, so Voß: „Es gibt eine Splitterwirkung bis zu 1000 Metern Entfernung.“

Aus diesem Grund herrscht an diesem Morgen im Umkreis von 300 Metern des Fundorts Ausnahmezustand. 5000 Menschen müssen ihre Wohnungen verlassen und werden mit dem Bus-Shuttle-Dienst in Sammelunterkünfte gebracht. Über Lautsprecher werden die AnwohnerInnen in türkisch und deutsch von der Polizei aufgefordert, sich im „luftschutzmäßigen Gebiet“ – 1000 Meter Radius – in Keller oder hintere Wohnungsabschnitte zu begeben. Stille während der Entschärfung – leere Straßenzüge, nur Blaulichter flackern an den Sperren. Wer sich doch auf die Straße traut oder einen Blick im Jogginganzug vom Balkon wagt, wird wieder ins Haus geschickt.

Die Entschärfung verläuft derweil planmäßig. Nachdem das Räumdienst mit einem Schaufelbagger den Blindgänger aus dem Wasser der Grube gehievt hat, machen sich die Sprengmeister über ihre „Bekannte“ her. „Als wir merkten, dass die Sicherungspindel noch im Zünder ist, waren wir erleichtert“, so Schubert. Dann muss-te nur noch die Zündnadel entfernt werden, und schon war der Koloss gezähmt. Kai von Appen

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