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„Liebling der Frauen“ im Männerklo

■ Die Bremer Straßenbahn wirbt auch in Toiletten: Schwarzfahrenden Hunde hängen im Damenklo, Macho-Sprüche über dem Pissoir für die Herren

Beim Pinkeln kommt Mann an Dieter P. nicht mehr vorbei. Die Macho-Sprüche des arbeitslosen Steinmetz hängen derzeit noch in den Pissoirs von rund 40 Bremer Lokalen. Ausgerechnet mit ihm wirbt die Bremer Straßenbahn AG (BSAG) für ihr Ticket „Bremer Karte“.

Über dem Pissoir zeigt Dieter P. den Männern zielgruppengerecht wie es geht: Drei Frauen auf einmal. Morgens, mittags, abends eine andere. Denn Dieter P. ist „ein begehrter Mann“, heißt es im Kleingedruckten der Anzeige. Der Mann mit fürchterlich viel Lack im Haar und weißem Feinripp-Unterhemd sei einfach ein „Liebling der Frauen“. „Dank Bremer Karte“ kann Dieter quer durchs Stadtgebiet zur nächsten Liebschaft touren. Während Freundin Anja (oder Birte oder Lore) halbnackt ihre Sachen zusammen sucht.

Mit solchen „auffälligen Geschichten“ wollte die BSAG auf ihre Straßenbahn-Tickets aufmerksam machen, erklärt die Pressesprecherin des Unternehmens. Die Kampagne sollte „provokativ“ sein und für hohen „Aufmerksamkeitsgrad“ sorgen - auf der Straße, in Zeitungen und jetzt eben auch in „Sanitätsräumen von ausgewählten Lokalen“.

Aber nicht alle Plakate kamen gut an. Protest gab es aber nicht bei Dieter. Sondern bei der allerersten Plakat-Aktion: 18-Jähriger verführt Großmutter (zur Straßenbahnfahrt auf den Freimarkt). Gedruckt im Bildzeitungsstil. Da hätte es einige böse Anrufe bei der BSAG gegeben.

Tatsächlich hätten die meisten der Anrufe den Text zur Schlagzeile nicht weitergelesen, rechtfertigt die Presseabteilung. Denn da hätten sich die bösen Schlagzeilen wundersam aufgelöst. Nur bei Dieter nicht: Denn der Trottel hat die Namen seiner drei Freundinnen irgendwann verwechselt. „Die Sache flog auf“, heißt es im Anzeigentext. Deswegen fährt Dieter nur noch zum Einkaufen Straßenbahn. Im Übrigen, lehrt die Kampagne, eigne sich die Bremer Karte aber „nicht nur für Seitensprünge“.

Nach der Geschichte mit der verführten Großmutter wurde die Kampagne trotzdem überarbeitet: „Derbe Sprüche“ sollten rausfliegen. „Wir haben ganz genau geguckt, dass da nichts drin war“, erklärt die Presseabteilung. Trotzdem kam Dieter in die Werbung – an dessen Macho-Manier aber irgendwie niemand etwas fand.

Ausgerechnet Dieter war es dann auch wert, in der Toilette beworben zu werden. Als erstes Unternehmen in Bremen wirbt die BSAG seit November in Toiletten von ausgewählten Restaurants. Neben Dieter wurde auch der Schäferhund für die die Klo-Reklame ausgewählt, die noch bis Neujahr hängenbleibt. Wohlweislich hatte die Hamburger Firma CK Advertising die Dieter-Nummer meistens in die Männerklos gehängt. Frauen konnten sich dagegen im Waschraum über den altdeutschen Schäferhund Heino wundern, der mit 23 Jahren (!) zu alt für's Mitfahren auf der Bremer Karte war. Aber nett wie Kontrolleure nun mal sind, erfuhr frau beim Händewaschen, drückte man bei dem alten Köter aus Huchting beide Augen zu.

Vor allem mit Dieter waren die Toilettenwerber hochzufrieden: Seine Sprüche kamen bei den Bremer Männern gut an: Rund 80 Prozent konnten sich noch genau an die Sprüche im Pissoir erinnern, ergab eine Test-Marktforschung der CK Advertising. Denn durch die „lange Verweildauer“ könne schließlich keiner wegsehen, erklärt Geschäftsführer Yves Caderas. pipe

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