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Verbrennen oder Ersticken im Vakuum

Mit dem Einsatz von Vakuum-Bomben im Tschetschenienkrieg verstößt Russland eindeutig gegen das humanitäre Völkerrecht. Doch Kritik an seinem Vorgehen hat Moskau nicht zu fürchten ■ Von Andreas Zumach

Genf (taz) – Die russischen Truppen setzen in Tschetschenien so genannte „Vakuum“-Bomben ein. Laut dem Militärkommando erfolgt dieser Einsatz nur in „kaum bevölkerten Bergregionen“ zur Bekämpfung dort versteckter Unabhängigkeitskämpfer. Doch nach Angaben des Moskauer Militärexperten Pawel Felgenhauer und anderer Beobachter werden diese Bomben auch in dicht besiedelten Gebieten und ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung eingesetzt.

Das wäre ein eindeutiger Verstoß gegen zentrale Bestimmungen des humanitären Völkerrechts: die Genfer Konventionen von 1949 und ihre Zusatzprotokolle von 1977 sowie das auf diesen Konventionen basierende „UNO-Abkommen zum Verbot des Einsatzes besonders grausamer konventioneller Waffen von 1980“.

Derartige Bomben wurden in den letzten 30 Jahren mehrfach von den USA eingesetzt sowie von der Sowjetunion und dem Irak. Doch blieb dies stets ohne Konsequenzen, was zu einer erheblichen Erosion dieser zentralen Bestimmungen des humanitären Völkerrechts geführt hat. Moskau kann darauf bauen, dass der erneute Einsatz der Vakuum-Bomben keine nennenswerte Kritik hervorruft – auch nicht bei den Nato-Staten, die mit ihren Verstößen gegen die Genfer Konventionen im Kosovokrieg kaum noch glaubwürdig als Verteidiger des humanitären Völkerrechts auftreten können.

„Vakuum-Bomben“ wurden zuerst in den 60er-Jahren von den US-Streitkräften entwickelt unter der Bezeichung „fuel-air-explosives“ (Treibstoff-Luft-Explosivkörper). Nach dem Abwurf verbindet sich das in der Bombe befindliche Treibstoffgemisch mit Luft. Die dadurch entstehende Aerosol-Wolke explodiert beim Aufprall und verursacht einen großen Feuersturm, der in einem Umkreis von bis zu mehreren hundert Metern durch Absaugen allen Sauerstoffs ein Vakuum verursacht. Darin werden alle Lebewesen verbrannt oder sie ersticken.

Bei der jetzt von den russischen Streitkräften eingesetzten Waffe handelt es sich laut dem britischen Fachmaganzin Jane’s Defense Weekly um eine 520 Kilogramm schwere, 2,30 Meter lange Bombe, gefüllt mit 193 Kilogramm hochexplosivem Sprengstoff.

Sowohl die Genfer Konventionen wie das UN-Abkommen über besonders grausame konventionelle Waffen verbieten für zwischenstaatliche Kriege und Bürgerkriege den gezielten Einsatz von Waffen gegen die Zivilbevölkerung. Verboten ist auch der Einsatz von Waffen, die wegen ihrer ungenauen Streuung Schaden unter der Zivilbevölkerung hervorrufen können. In allen früheren Fällen forderte der Einsatz der Vakuumbomben zum Teil erhebliche Opfer und verstieß gegen humanitäres Völkerrecht. Was für die Vakuum-Bomben gilt, trifft auch für Streu- oder Splitterbomben zu. Nach Angaben von Beobachtern werfen russische Truppen in Tschetschenien Bomben ab, die beim Aufprall tausende rasiermesserscharfe Klingen in einem Umkreis von mehreren hundert Metern verschießen. Ähnliche Waffen setzen die USA im Golfkrieg ein.

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