Kommentar: Grüne Krise ■ Frankreichs Umweltministerin Dominique Voynet sollte abtreten
Die Ölpest in der Bretagne hat böse Folgen. Sie verdreckt nicht nur Strände und tötet Vögel. Sie legt auch die Gewinnsucht des Reeders und des Konzerns TotalFina bloß. Obendrein steht jetzt die Pariser Umweltministerin Dominique Voynet bis zum Hals im Schlamm.
Bislang hatte die erste grüne Ministerin in der Geschichte Frankreichs ihr Amt fehlerlos verwaltet. Sicher, beim Thema Atomausstieg hätte sie Jürgen Trittin öffentlich mehr beistehen können – aber das Gewicht der französischen Grünen ist begrenzt. Denn sie haben nur sechs Abgeordnete in der Nationalversammlung, die noch dazu ihre Mandate in Wahlkreisen eroberten, die die Sozialisten ihnen freiräumten. Für seine Koalitionsmehrheit braucht sie Premier Lionel Jospin auch nicht. Bedenkt man dies, so hat Voynet eine Menge erreicht: etwa, dass der Schnelle Brüter stillgelegt wurde und dass der Wiederaufarbeiter Cogema eine neue Chefin bekommen hat.
Doch was sich die Grüne nun leistete, lässt ernsthafte Zweifel an ihrer politischen Kompetenz aufkommen: Trotz auflaufender Ölpest wollte sie sich einen Arbeitstrip auf die französische Insel Réunion im Indischen Ozean mit einigen Urlaubstagen versüßen, statt fürs Fernsehen die verölten Strände zu inspizieren.
Erst nach schwerem Beschuss durch die konservative Opposition und einem Anruf des erzürnten Jospin kürzte sie dann doch ihren Urlaub unter Palmen ab, eilte in die stürmisch kalte Bretagne und meckerte, ihre körperliche Anwesenheit sei nicht erforderlich gewesen, so lange der Ölteppich noch auf dem Meer fotografiert und vermessen wurde. Das mag ja vielleicht inhaltlich sogar stimmen. Ein grober politischer Irrtum war es dennoch. Und für eine Grüne eine unglaubliche Instinktlosigkeit dazu. Zumal sie auch noch erklärte, es handele sich nicht um die ökologische Katastrophe des Jahrhunderts. Auch dies ist vielleicht richtig, aber das will in so einer Situation niemand hören. Schon gar nicht aber erwartet man solches Abwiegeln von einer Grünen. Politik ist eben auch das Management von Symbolen. Einsicht zeigte die Ministerin nicht. Ihr einziger Fehler sei es gewesen, den „Mediendruck“ unterschätzt zu haben, maulte sie.
Nur: Wer so viele kapitale Böcke schießt, der muss zurücktreten.
Harald Schultz
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