: Kann er es nicht mehr?
■ Horst Tappert (76) war einmal ein sehr guter Seriendarsteller mit müden Augen. Heute Abend ist er „Der Kardinal“ (20.15 Uhr, ZDF)
Er war zweifellos einmal ein sehr guter Schauspieler. Nicht nur als englischer Posträuber in „Die Gentlemen bitten zur Kasse“, jenem Mehrteiler, der Horst Tappert 1966 über Nacht zum Fernsehstar machte. Auch in einigen Kinoproduktionen und ambitionierten Fernsehspielen zeigte Horst Tappert, dass er in seiner bedächtigen Art durchaus eine Bandbreite bedienen konnte, die von Tragik bis Komik reichte. 1974 wechselte der freie Schauspieler dann das Fach: Fortan war er ein sehr guter Seriendarsteller.
Er hat diese Entscheidung, den Stephan Derrick zu spielen, nie bereut. Und wenn auch die ZDF-Serie vielleicht ein paar Jahre zu spät eingestellt worden ist, so ist sie doch Kult geworden. So bereiteten dem Hauptdarsteller, der zu jenem Zeitpunkt 75-Jährig einen friedlichen Pensionsabend hätte genießen können, 1998 nicht nur die Alten, sondern auch die Jungen einen feierlich schönen, weil vermeintlich endgültigen Abschied.
Womöglich machte ihm nur das Toupet zu schaffen
Vielleicht war es ja eine Frage der Ehre, nach dem „Derrick“ noch einmal etwas anderes zu spielen. Womöglich machte Tappert aber auch nur die Sache mit dem Toupet zu schaffen. Denn solange er dem „Derrick“ sein Gesicht lieh, unterwarf sich der disziplinierte Schauspieler einer Art optischer Bestandsgarantie. Seine Figur, Inkarnation der televisionären Beständigkeit, sah mit gutem Grund jahrzehntelang unverändert gleich aus: Den Fels in der Brandung markierte Tappert stets mit müden Augen, gedecktem Trenchcoat und zurückgekämmtem Haar. Das aber war längst ausgefallen, unter der Fassade des Markengesichts hatte sich der so mit seiner Rolle verschmelzende Mime doch erlaubt, ein wenig zu altern.
Nun also konnte das alles auf einen Schlag korrigiert werden: Mit dem ZDF-Angebot, einen echten Kardinal zu spielen, wollte der Seriendarsteller wohl nicht nur zurück ins Schauspielfach wechseln, sondern auch Spiegel- und Fernsehbild wieder in Einklang bringen. Ohne Haarteil und mit einer modisch altmodischen Brille sah man ihn schon bald nach seinem „Derrick“-Abschied in Talkshows sitzen. Ja, sagte er dann in seiner bedächtigen Art, die neue Frisur sei einer neuen Rolle geschuldet. Eleganter kann man die Verblüffung der Fans kaum parieren.
Leider ist diese äußere Metamorphose der einzige Wert an Tapperts ganzem Auftritt als „Kardinal“. Es ist schmerzhaft mit anzusehen, aber er kann es tatsächlich nicht mehr. Waren die drei unbeweglichen Gesichtsausdrücke, mit denen Tappert 20 Jahre lange TV-Geschichte geschrieben hat, dem erstarrten „Derrick-Konzept“ durchaus angemessen, erscheinen sie hier doch nur noch hilflos.
Hilflos die vertraute Mimik, eher laienhaft die Tränen
Wie unter Barbituraten schleicht der Kleriker durch die Wandelgänge des Vatikans und versucht mit Grübeleien seine Würde zu retten. Erst am Ende seines Lebens und auf dem Höhepunkt seiner römischen Karriere hat er nämlich erfahren, dass der liebe Gott ihm Tochter und Enkelsohn schenkte. Die beiden illegitimen Verwandten sind sich für keine verkitschte Pose zu schade, und so muss der kleine Bub irgendwann mitten in der Kirche und im Angsicht des hohen Klerus „Opa, Opa!“ rufen. Dass solche Szenen den Profi Tappert zu Tränen rühren, ist gut nachvollziehbar. Als Darsteller einer tragischen Rolle weint er aber eher laienhaft.
Man stelle sich vor, Horst Tappert hätte nie unter Haarausfall gelitten. Ohne die visuelle Distanzierung von seinem Alter Ego Derrick – ohne die rote Robe, das lichte Haar, die modisch altmodisch Brille – wäre letztlich kaum eine Differenz zu erkennen. Man würde wohl an eine Reinkarnation von Stephan Derrick glauben. Und daran, dass der Vatikan ein Vorort von München-Grünwald ist.
Klaudia Brunst
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