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Erfasst der Kohl-Sumpf Schäuble?

Der CDU-Vorsitzende lässt erklären, weshalb es rechtens ist, wenn 1,146 Millionen Mark Fraktionsgelder in die Parteikasse fließen – in bar ■ Aus Berlin Patrik Schwarz

Helmut Kohl wäre der Kragen geplatzt. Joachim Hörster dagegen, der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, lässt sich den Druck nicht anmerken. Gut eine Stunde dauert die Pressekonferenz bereits, und die Fragen nach den Summen, Daten und Bewegungen auf den Konten der Unions-Fraktion sind so hartnäckig, dass Kohl die Journalisten längst der Impertinenz – oder schlimmerer Sünden – geziehen hätte.

Doch bei der CDU ist die Ära des Wolfgang Schäuble angebrochen und man kann sich leicht vorstellen, mit welchem Auftrag der Partei- und Fraktionschef seinen Parlamentarischen Geschäftsführer vor die Kameras geschickt hat: Um jeden Preis antworten – und so allen Anschein der Vertuschung vermeiden.

So beginnt eine neue Runde im Kampf der CDU gegen den Sumpf, in dem nicht nur der Riese von Oggersheim zu versinken droht, sondern dessen Ausläufer inzwischen gefährlich nah an Wolfgang Schäuble heranreichen. Hörster müht sich an diesem Dienstag in Berlin einmal mehr zu erklären, wie 1996 in Schäubles Zuständigkeitsbereich als Fraktionschef mehr als eine Million Mark in bar den Besitzer wechseln konnten. Von einem Konto der Fraktion wanderten 1,146 Millionen Mark zuerst in den Tresor einer Bonner Filiale der Dresdner Bank und anschließend an den Verwaltungschef der CDU-Parteizentrale, Hans Terlinden.

Hörster weiß, dass der Vorgang eine fatale Ähnlichkeit aufweist mit dem Auslöser der Spendenaffäre, die Übergabe eines Geldkoffers durch den Waffenhändler Schreiber an die Kohl-Vertrauten Weyrauch und Leisler Kiep. Er sei ja auch von dieser Welt, sagt Hörster mit dünnem Lächeln, das klinge alles nach „Schlapphut, Trenchcoat und dunklen Ecken“. Juristisch relevant ist der Vorgang, weil das Parteiengesetz Geldtransfers von Fraktionen an ihre Parteien verbietet.

Tatsächlich, so die CDU, sei alles mit rechten Dingen zugegangen. „Ungewöhnlich, aber nicht unerklärlich“, nennt Hörster den Vorgang. Doch der Geschäftsführer hat Schwierigkeiten, alle Ungereimtheiten zu erklären. Da ist zum Ersten die Herkunft der 1,146 Millionen. Die CDU reklamiert, es habe auf dem Konto „in den letzten Jahren“ vor der Kontoauflösung 1996 außer Zinseinnahmen keine Bewegung mehr gegeben. Bei dem Guthaben handele es sich nicht um öffentliche Mittel, sondern um frühere Überweisungen aus der Parteizentrale, die für gemeinsame Projekte mit der Fraktion gedacht waren, sowie um einen monatlichen Obulus von 50 Mark, die jeder ihrer Abgeordneten „als Fraktionsbeitrag“ gespendet habe. Entsprechende Belege fehlen aber, geklärt ist nicht einmal, wann das Konto eingerichtet wurde. „Das erklärt sich, weil das Konto offensichtlich so uralt ist“, sagte Hörster gestern. Die Aussage der CDU, es handele sich nicht um öffentliche Gelder, steht auf entsprechend wackligem Fundament.

Als ein neues Gesetz den Bundestagsfraktionen die Offenlegung ihrer Finanzen gebietet, bittet Schäuble 1996 den Geschäftsführer, das Geld der Partei zukommen zu lassen, damit es im Rechenschaftsbericht nicht dem Fraktionsvermögen zugeschlagen wird. Bis zum 31. 12. muss der Transfer erfolgen – aber warum via Bargeldkoffer? Nach Hörsters Darstellung scheiterte eine Überweisung an die Parteizentrale an Hans Terlinden. Der Verwaltungschef war erkrankt, eine Kontonummer von ihm angeblich nicht zu erhalten. So wurde die Summe im Banktresor geparkt. Was mit dem Geld passierte, nachdem Terlinden die Summe im Januar 97 abgeholt hatte, bleibt unklar. Auch Hörster kann da nicht weiterhelfen: „Was die Partei mit dem Geld macht, ist nicht meine Aufgabe.“

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