„40 Mark müssen genug sein“

■ Ohne Pauschaltarife für den Netzzugang kann das Internet niemals ein Massenmedium werden.Philipp Sudholt, Student in Berlin, hat deshalb die Initiative „Internet ohne Taktung“ gegründet

Wollen wir wetten, dass noch in diesem Jahr der erste Internetprovider auch in Deutschland einen Pauschaltarif für den Netzzugang anbietet?

Philipp Sudholt: Es gibt viele Internetprovider, die sehr gerne einen echten Pauschaltarif anbieten würden – sie haben aber nicht die Möglichkeit. Denn das Problem in Deutschland sind nicht die Kosten des Internets, sondern die Telefonkosten, die bei einer Internetverbindung anfallen. Wir haben in Deutschland mittlerweile die paradoxe Situation, dass der Internetzugang, der einen in die ganze Welt führt, ab 10 Mark im Monat zu bekommen ist, die Verbindungskosten der letzten Meile zum örtlichen Provider aber – je nach Nutzungsdauer – mit dem Vielfachen zu Buche schlagen. Wenn überhaupt, haben also nur große Telefongesellschaften die Möglichkeit, einen Pauschaltarif anzubieten. Wirklich flächendeckend könnte das nur die Telekom. Die wird sich aber kaum die Gewinne aus der zeitlichen Taktung selber madig machen. Ohne erhöhten Druck der Regulierungsbehörde sehe ich keine Möglichkeit, dass wir noch in diesem Jahr flächendeckend einen günstigen Festpreis für das Internet bekommen, der es zu einem Massenmedium machen kann.

Im letzten Jahr haben Telekom, AOL und viele kleine Provider ihre Preise für den Netzzugang ständig gesenkt – zumindest haben sie damit geworben. Man kann heute für weniger als 5 Pfennig in der Minute Surfen, Telefongebühren eingeschlossen. Warum fordert die Initiative „Internet ohne Taktung“ immer noch Pauschaltarife?

Egal ob der Provider nun AOL oder Mobilcom heißt – der Löwenanteil der Internetkosten muss immer für die Verbindungskosten ins Telefonnetz der Telekom abgeführt werden. Die so genannten Interconnection-Tarife, die die Provider und Telefongesellschaften zahlen müssen, legen die Untergrenze des Internetpreises fest. Zudem verhindern sie einen echten Pauschaltarif. Denn wer im Minutentakt Wegzoll an die Telekom zahlen muss, ist natürlich nicht in der Lage, seriös einen Pauschaltarif anzubieten: Ab einer bestimmten Onlinezeit entstehen mehr Interconnection-Gebühren als Einnahmen für den Provider, und er muss drauflegen. Fairer wäre für Verbindungen ins Internet eine Abrechnung der Leitungskosten beispielsweise nach tatsächlich verbrauchter Leitungskapazität. Nach unsrer Auffassung wird nur ein fairer Pauschaltarif dem Internet zum Durchbruch verhelfen. Laut Zahlen der Bundesregierung nutzen bei uns gerade mal 11 Prozent der Haushalte das Internet. In Ländern mit Pauschaltarifen wie Amerika ist diese Zahl drei- bis fünfmal höher. Erst wer beim Surfen nicht ständig den Gebührenzähler ticken hört, kann das Internet wirklich nutzen. E-Commerce, Recherche, Online-Entertainment oder Chatten bekommen dann erst richtig Sinn. Nur mit einem Pauschaltarif bleiben die Kosten überschaubar – etwa für eine Familie mit mehreren Kindern. Sie glauben ja gar nicht, wie viele Jugendliche kein Internet nutzen können, weil die Eltern zu Recht eine Kostenexplosion befürchten! In einigen Jahren dürfte sich die mangelnde Interneterfahrung als echter Bildungsnachteil äußern.

Wie hoch soll denn der Pauschaltarif in Deutschland sein?

Um den Internetboom nach Deutschland zu holen, müssen wir einen Festpreis in der Region um die 40 Mark anpeilen. Gerade hat die Telekom Austria gezeigt, dass dies durchaus möglich ist. Da die eigentlichen Internetkosten um die 30 Mark ausmachen, genügt es nach unserer Überzeugung, die Verbindungskosten zu senken.

Wer nur mal ein paar Mails verschicken und empfangen will, kommt heute billiger davon. Sollen Wenigsurfer die Vielsurfer subventionieren?

Abgesehen davon, dass sich bei Monatspauschalen ab 13 Dollar, wie sie in Amerika üblich sind, wohl niemand benachteiligt fühlt, schaffen Pauschalen ja nicht die Angebote für Wenignutzer ab. Im Gegenteil, bei wirklich funktionierendem Markt wird sich natürlich kein Wenigsurfer von Vielsurfern ausnehmen lassen müssen – er kann dann zu einem günstigeren Tairf, speziell für Wenignutzer, wechseln. Das Argument der Subventionierung, das man immer wieder von der Telekom hört, ist also etwas weit hergeholt.

Die Telekom lässt das amerikanische Vorbild nicht gelten. Auch die Bundesregierung sagt, die amerikanischen Verhältnisse seien mit den deutschen nicht vergleichbar.

Telefonleitungen sind überall auf der Welt gleich, und die dahinterstehende Vermittlungstechnik ist es im Großen und Ganzen auch. Deutschland verfügt sogar über ein sehr gut ausgerüstetes digitales Netz. Schließlich war während der Zeit des Telefonmonopols hierzulande – anders als bei vielen amerikanischen Telefonnetzbetreibern – genug Geld in der Kasse. Unser Telefonnetz ist dank wartungsarmer und effizienter Hochtechnologie weitaus günstiger zu betreiben und verfügt auch über genug Kapazität für Internetpauschalen. Das Einzige, was uns die Amerikaner voraushaben, ist eine konsequentere Deregulierungspolitik. Seit die TV-Kabelgesellschaften dort verstärkt auf den Netzmarkt drängen, hat sich der Wettbewerb noch verschärft.

Was kann eine kleine Initiative wie „Internet ohne Taktung“ tun? Es sieht nach einem Kampf gegen den Goliath Telekom aus.

Unser Hauptgegener heißt nicht Telekom, sondern wir wenden uns an die Regulierungsbehörde und damit an die Politik. Denn die haben die Rahmenbedingungen auf dem Telekommunikationsmarkt ganz offensichtlich falsch gesetzt, bedenkt man, dass die Verbindungskosten ins Internet zum Teil noch immer höher sind als 1996, vor der so genannten Öffnung des Marktes. Wir sammeln auf unserer Internetseite Unterschriften für unser Anliegen, die wir im Februar der Bundesregierung überreichen wollen. Bislang haben wir schon über 25.000 Unterschriften von Internetnutzern. Wenn wir es als Bürgerinitiative schaffen, die Politik und die Medien auf die Missstände aufmerksam zu machen, haben wir schon viel erreicht. Erste Reaktionen von Politikern kann man auf unserern Internetseiten ebenfalls nachlesen.

Interview: Niklaus HablützelInitiative „Internet ohne Taktung“: www.ungetaktet.de