: Plutonium: Dynamit für Rot-Grün
Bundesregierung streitet um den Export der eingelagerten Kalkar-Brennelemente: Forschungsministerin dafür, Grüner „skeptisch“ ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt
Frankfurt (taz) – Um den Export alter Brennelemente in die USA deutet sich ein Streit zwischen dem Bundesforschungsministerium (BMBF) und der grünen Bundestagsfraktion an. Wie nun bekannt wurde, verhandelt die Schneller Brüter Kernkraftwerksgesellschaft (SBK), eine Tochter des RWE-Konzerns, mit dem US-Energieministerium über die Entsorgung von 205 plutoniumhaltigen Brennelementen, die einmal für den nie in Betrieb gegangenen Brutreaktor in Kalkar produziert wurden. Dazu hat sie auch die Billigung des Bundesforschungsministeriums. Doch der forschungspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Matthias Berninger, steht dem Brennelementeexport „skeptisch“ gegenüber. In der Sache sei – neben dem BMBF – auch das Bundesumweltministerium involviert. Beide Häuser, so Berninger, müssten sich jetzt „kurzschließen“ und die Fraktionen frühzeitig in den politischen Entscheidungsprozess einbinden.
Bereits im Oktober fanden in den Staaten Verhandlungen über den Export statt. Schon einmal hatten RWE und SBK versucht, die im Atombunker in Hanau und im schottischen Atomkomplex Dounreay lagernden Brennelemente an das US-Unternehmen Advanced Nuclear and Medical Systems (ANMS) in Richmont im Bundesstaat Washington zu verkaufen. Der Vertrag scheiterte damals am Widerstand von Umweltschützern, Senatoren und Kongressabgeordneten in den Staaten, die alle den „Bombenstoff“ aus Deutschland nicht haben wollten. Auch die US-Regierung war 1996 noch dagegen.
Heute ist das US-Energieministerium selbst Verhandlungspartner. Auf Anfrage von Greenpeace teilte das zuständige Bundesministerium für Bildung und Forschung mit, dass nach einer ersten Verhandlungsrunde noch „Fragen offen geblieben“ seien. Etwa die nach der Art und Weise der „Verbringung“ der hochtoxischen Brüter-Brennelemente in die Vereinigten Staaten. Auch sei unklar, ob die US-Administration tatsächlich bereit ist, den 1993 abgeschalteten Fast Fusion Test Facility Reactor (FFTF) in Henford zu reaktivieren und damit wieder in die weltweit als out geltende Brütertechnologie einzusteigen. Nur in einem Brutreaktor können die SBK-Brennelemente zum Einsatz kommen. Das BMBF unter Leitung von Ministerin Edelgard Bulmahn (SPD) machte allerdings auch deutlich, dass die Bundesregierung einen erfolgreichen Vertragsabschluss mit den Amerikanern begrüßen würde: „Mit diesem Weg könnten zugleich die langfristige Zwischenlagerung sowie eine Wiederaufarbeitung der Brennelemente mit der Extraktion des Plutoniums vermieden werden.“
Zwar sieht auch der Grünen-Abgeordnete Berninger ein, dass das „Teufelszeug wo hinmuss“. Doch er hält „nach heutigem Erkenntnisstand“ ein sicheres Zwischenlager für das Beste – „und nicht den Export in die Staaten zum Einsatz in einem Brüter“.
An der Stellungnahme aus Bulmahns Ministerium reibt sich auch Greenpeace. Schließlich hätten sich SPD und Bündnisgrüne schon vor Jahren gegen die Plutoniumwirtschaft ausgesprochen, konstatierte Greenpeace-Energieexpertin Susanne Ochse. Auch wenn aus den deutschen Brüter-Brennelementen Pu-238 nur zur Beheizung und Stromversorgung für Weltraumfahrzeuge extrahiert werden soll – so jedenfalls das US-Energieministerium –, könne das Material durchaus auch für militärische Zwecke genutzt werden, argumentiert Greenpeace. Der militärische Atomkomplex Henford mit dem FFTF ist für US-Umweltschützer der „größte Atomschrottplatz der Welt“. Der dort vorbeifließende Columbia River gilt als radioaktiv verseucht.
Und selbst der Einsatz von Plutoniumbatterien in zivilen Raumsonden ist nicht unumstritten; schließlich könnte das Material bei einem Absturz die Erdatmosphäre verseuchen.
Auch Elmar Diez von der Initiative Umweltschutz Hanau (IUH) unterliegt nicht der Versuchung, sich für den Export der 123 Brüter-Brennelemente aus dem Bundesbunker in Hanau einzusetzen. Auch wenn Hanau dann endlich „atomfrei“ wäre, könne man sich diesen „herrlichen Zustand“ nicht durch den Wiedereinstieg in die Brütertechnik anderswo erkaufen – „auf Kosten anderer Menschen und Ökosysteme“.
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