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Aufklärung mit geschlossenem Visier

In der Flugaffäre um seinen Finanzminister Schleußer versucht NRW-Ministerpräsident Clement, in die Offensive zu gehen. Doch seine Dokumentation von WestLB-Flügen ist überaus lückenhaft ■ Aus Düsseldorf Pascal Beucker

Das Pressezentrum des Landtages war überfüllt. Pünktlich zur zweiten Sitzung des Untersuchungsausschusses, der die Düsseldorfer „Flug-Affäre“ aufklären soll, hat die Landesregierung gestern zur Pressekonferenz geladen. Würde sie nun tatsächlich, wie Ministerpräsident Clement am Wochenende angekündigt hatte, „mit offenem Visier“ den Gerüchten und Vorwürfen über die rege Flugtätigkeit von Regierungsmitgliedern mit dem Privatjet-Service der Westdeutschen Landesbank (WestLB) entgegentreten?

Die Antwort: ein entschiedenes Jein. Die Staatskanzlei, so berichtete deren Chef Adamowitsch, habe dem Ausschuss „die Dokumentation sämtlicher Flüge des Ministerpräsidenten Wolfgang Clement, der amtierenden Ministerinnen und Minister sowie der meisten Staatsminister a. D.“ übergeben. Zur Rekonstruktion der Flugtätigkeit ging die Landesregierung einen umständlichen Weg: Sie fragte bei den in Frage kommenden Personen nach. Die entsprechenden Unterlagen der WestLB forderte sie nicht an.

Die Befragung ergab, dass es insgesamt 63 Flüge von Regierungsmitgliedern mit dem WestLB-Flugservice gegeben haben soll. Spitzenflieger ist Finanzminister Heinz Schleußer mit 46 Flügen. Clement soll zehnmal, der verstorbene frühere Wirtschaftsminister Reimut Jochimsen viermal geflogen sein. Auf das Konto des ehemaligen Wirtschaftsministers Günther Einert gehen zwei Flüge, auf Ex-Innenminister Herbert Schnoor ein Flug.

Eine genaue Auflistung der Flüge will die Landesregierung „aus Respekt vor dem Untersuchungsausschuss“ jedoch nicht öffentlich machen. Die hausinternen Nachforschungen hätten aber ergeben, so Adamowitsch, dass alle Flüge „unbedenklich und rechtmäßig“ gewesen seien und „bis auf die zwei von Finanzminister Heinz Schleußer privat beglichenen Privatflüge dienstlich veranlasst oder im Interesse der WestLB.“ Mit dem Brustton der Überzeugung erklärte Adamowitsch, es habe „keine unzulässige Verquickung“ zwischen Land und WestLB gegeben.

Doch das ist anhand der nun übergebenen „Dokumentation“ nicht beweisbar. Denn die Flugliste ist unvollständig, wie Adamowitsch selber zugeben musste. Nicht nur, dass von zwei ehemaligen Ministern, deren Namen der Chef der Staatskanzlei nicht nennen wollte, bisher keine Angaben vorliegen. Es fehlen zudem die Flüge des ehemaligen Ministerpräsidenten Johannes Rau. Er habe über seine Anwälte angekündigt, alle Daten möglichst noch in diesem Monat offen zu legen, sagte NRW-Regierungssprecher Klaus Klenke. „Frühestens jedoch zum 25. Januar.“

Nach Angaben der öffentlich-rechtlichen WestLB seien für Flüge von Regierungsmitgliedern inklusive der Rau-Flüge in knapp 14 Jahren insgesamt 1,8 Millionen Mark aufgewendet worden, teilte Klenke mit. Für rund 600.000 Mark seien Regierungsmitglieder ausschließlich im Interesse der Bank geflogen. Die Flüge im Interesse des Landes hätten demnach etwa 1,2 Millionen Mark gekostet. Dieser Betrag sei von der Bank als Gewinnausschüttung versteuert worden. Die Frage, ob die Zahlen der WestLB von der Landesregierung überprüft worden seien, verneinten Klenke und Adamowitsch. Es gäbe keinen Grund, an ihnen zu zweifeln. Warum die Landesregierung sich zwar eine pauschale Kostenaufstellung von der WestLB holen konnte, jedoch keine Liste über die getätigten Flüge, konnten weder Regierungssprecher noch Staatskanzleichef befriedigend beantworten. Ebenfalls keine Auskunft geben konnten die beiden auf die Frage, ob auch noch andere Charterflugbereitschaften als die der WestLB von Regierungsmitgliedern in Anspruch genommen worden seien, z. B. jene der Preussag. „Ist mir nicht bekannt“, erklärte Adamowitsch. Das sei nicht Bestandteil des Untersuchungsauftrages gewesen.

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