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„Die Crew hatte Angst vor dem Schiff“

Heute beginnt zweiter Prozess zum Untergang der „Scantrader“ vor 10 Jahren  ■ Von Elke Spanner

Statt mit stabilisierendem Ballast ist die „Scantrader“ mit gewinnbringendem Zement beladen. Der Kompressor, die Seewasserleitung und Rückstauklappen sind defekt. Die Seewetterstationen im baskischen Bilbao warnen vor einem Sturm in der Biskaya. Dennoch läuft der Frachter am 11. Februar 1990 aus. Wenige Stunden später sinkt das Schiff, 12 Seeleute sterben in den Wellen des Atlantik. Der Schiffsuntergang vor zehn Jahren wird ab heute noch einmal vor Gericht verhandelt.

Das Schiff gehörte der Lübecker Reederei „SK Schiffahrt“. Eine Mitschuld am Tod der Seeleute hatten Eigentümer Heinrich Beutler, sein Sohn und Kompagnon Heiner Beutler sowie ihr Geschäftsführer Jerzy Kulakowski stets von sich gewiesen. Allein der Kapitän sei für die Sicherheit an Bord verantwortlich. Der Kapitän, hatten auch ihre Rechtsanwälte das Hamburger Amtsgericht im ersten Prozeß 1997 belehrt, heiße in der Seefahrt nicht umsonst „master next to god“.

Dennoch sprach Amtsrichter Hans-Peter Bünning im Dezember 1997 nur Heiner Beutler und Kulakowski frei. Senior Heinrich Beutler verurteilte er wegen „gefährlichen Eingriffs in den Schiffsverkehr“ zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und einer Geldbuße in Höhe von 20.000 Mark. Das Schiff sei überladen und defekt gewesen. Es sei „reiner Zufall“, dass es nicht schon vorher unterging. Heutzutage sei der Kapitän schlicht ein „Überseetransportbegleiter“. Er könne telefonisch Kontakt zur Reederei halten – und deren Anweisungen entgegennehmen. Erstmals zog ein Gericht damit einen Reeder für die Schiffssicherheit strafrechtlich zur Verantwortung.

Das wurde von ehemaligen Besatzungsmitgliedern der „Scantrader“ und der Gewerkschaft ÖTV gelobt. Sie rügten jedoch den Freispruch von Heiner Beutler und Kulakowski. Die hätten dafür gesorgt, dass qualifizierte Kapitäne des Frachters gegen unfähige ausgetauscht worden seien. Die Staatsanwalt focht das Urteil an. Heute beginnt die neue Verhandlung vor dem Landgericht.

Auch Heinrich Beutler legte Rechtsmittel ein. Er will einen Freispruch erreichen. Schuld am Tod der Seeleute sei allein der Kapitän, der mit der Besatzung ertrank, beharrt er. „Die Vorschriften über die Sicherheit des Schiffsbetriebes, insbesondere die Ladevorschriften, sind allein vom Kapitän zu beachten“, so Beutlers Rechtsanwalt Helmut Sempell. „Der Reeder sitzt am Schreibtisch und sieht nicht, was auf dem Schiff passiert“.

Nach dem Untergang der „Scantrader“ hatte jedoch ein ehemaliger Kapitän ausgesagt, ihm sei von der Reederei im Mai 1989 gekündigt worden, weil er sich weigerte, hunderte Tonnen mehr Zement als zugelassen zu laden. Der ehemalige Schiffsingenieur bezeugte vor dem Amtsgericht, er habe selbst den Dienst quittiert, weil die „SK Schiffahrt“ notwendige Reparaturen unterlassen habe. „Die Crew hatte vor dem Schiff Angst“. Das habe er der Reederei mitgeteilt. Im Dezember 1989. Zwei Monate später sank das Schiff.

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