piwik no script img

Die PDS im Lager der Ordnung

Nach der Drohung gegen das Luxemburg-Gedenken rebelliert die PDS-Basis gegen ihre Führung. Zur Diskussion steht das Gewaltmonopol des Staates ■ Von Andreas Spannbauer

Die Anschlagsdrohung eines wild gewordenen Sozialrevolutionärs auf die Luxemburg-Liebknecht-Ehrung in Berlin hat die PDS in eine schwere Krise gestürzt. Seit Tagen läuft – für die PDS beinahe unvorstellbar – die Parteibasis Sturm gegen die Führung. Zur Diskussion steht nicht weniger als das Verhältnis der Partei zum Gewaltmonopol des Staates. Die Tatsache, dass die Landesvorsitzende Petra Pau das polizeiliche Verbot der Veranstaltung am vergangenen Sonntag widerspruchslos akzeptiert hatte, treibt viele Parteimitglieder auf die Barrikaden, verbirgt sich doch dahinter das unausgesprochene Eingeständnis, dass dieses Gewaltmonopol auch die Veranstalter linker Demonstrationen schütze.

In dem Konflikt zwischen realpolitischer Führung und systemoppositioneller Basis kämpfen beide Seiten mit harten Bandagen. Ausgetragen wird die Schlacht vor allem auf den Leserbriefseiten des Neuen Deutschland sowie in der linksradikalen Jungen Welt. Mancher Genosse kritisiert den „Schulterschluss“ der PDS-Spitze mit „einem CDU-Polizeichef“ und wirft der Führung eine rückgratlose und sklavisch untertänige Haltung „wie in der alten SED zu Honeckers Zeiten“ vor. Ein anderer appelliert mit Rosa Luxemburg an die PDS: „Seid ihr noch eine Kampfpartei oder ein Kaninchenzüchterverein geworden?“ Aus Stolz, endlich von einem leibhaftigen Innensenator ernst genommen zu werden, so spotten die meisten, habe die PDS der Polizei bei der Liquidierung der größten linken Demonstration in der Bundesrepublik willfährig zugearbeitet.

Für besonderen Ärger sorgt das Wort Petra Paus, sie habe „keinen Anlass, der Polizei zu misstrauen“. Eng verbunden mit der Wut der Genossen ist die Meinung, dass Innensenator Eckart Werthebach (CDU) über die Absage der Veranstaltung nicht gerade traurig sein könnte. Zu allem Überfluss gab sich die Polizei am Sonntag alle Mühe, diese Ansicht zu bestätigen. Nach einer friedlichen Demo, die trotz Verbot stattfand, nahm sie über 200 Menschen fest. Für Ellen Brombacher von der Kommunistischen Plattform der PDS ein Beweis: „Die Polizei war nicht aufmarschiert, um uns vor einem möglichen Attentäter zu schützen, sondern das System vor der größten linken Manifestation in Deutschland.“

Auch die Stunde der Verschwörungstheorien ist angebrochen. Weil es in den Vorjahren stets zu Übergriffen von Polizisten auf die gleichzeitig zur Ehrung stattfindende Demonstration gekommen war, sind einige der Überzeugung, es handele sich bei der Drohung um eine Provokation des Geheimdienstes. Von „Werthebachs Attentäter“ ist die Rede, und Hermann Kant, ehemals Vorsitzender des Schriftstellerverbandes der DDR, sah gar „Rosa und Karl wieder in ‚Schutzhaft‘ genommen“.

Längst hat der Streit bundespolitische Dimensionen angenommen. Ulla Jelpke, Bundestagsabgeordnete der PDS aus dem Westen, warf Pau in einem offenen Brief vor, sie habe „eine völlig unkritische Rolle“ gegenüber dem bisher einmaligen Demo-Verbot eingenommen. „Glaubst du im Ernst, dass die Polizei nicht in der Lage gewesen wäre, die Demonstration zu schützen, wenn sie gewollt hätte?“ Ihr Kollege Winfried Wolf warf Pau „links blinken, rechts abbiegen“ vor.

Selbst Parteizar und Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi sah sich zum Eingreifen genötigt. In einer Antwort an Jelpke verteidigte er nicht Petra Pau, sondern distanzierte sich scharf von der parallel zum stillen Gedenken der PDS stattfindenden Demonstration. Der von Autonomen, DKP, MLPD und anderen Gruppen organisierte Marsch war von der PDS bisher nicht unterstützt worden. Vor einer Distanzierung hatte man sich aber in den letzten Jahren gehütet. Die Forderung Jelpkes, die PDS möge sich zukünftig auch mit den zumeist jüngeren, rund 20.000 Demonstranten solidarisieren, wies Gysi entschieden zurück. „Sie hoffen jedes Jahr erneut, dass dies der Tag sein könnte, an dem die Berliner Bevölkerung zur großen Revolution bläst.“

Dass die PDS für die „Krawalldemo“ die Mitverantwortung übernehmen könne, hält Gysi für ausgeschlossen. „Eine kleine, gewalttätige Demo löst bei der Mehrheit der Bevölkerung nur Unverständnis aus.“ Die Luxemburg-Ehrung wird für Gysi zur Bündnisfrage: „Das Zusammengehen mit der dogmatischen Linken hat für die undogmatische, demokratische Linke katastrophale Folgen.“

Selbst das parteieigene Neue Deutschland sah sich gezwungen, den Parteichef zu korrigieren, und wies darauf hin, dass die Demonstration von der Polizei „seit Jahren aus nichtigen Gründen attackiert“ werde. Und auch Ulla Jelpke antwortete auf Gysi: Die PDS als Bürgerrechtspartei dürfe nicht zusehen, wie diese Menschen verprügelt werden. „Wir sind keine Partei der Ordnung.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen