: „Die Fakten müssen auf den Tisch“
Alexander Müller, finanzpolitischer Sprecher der Grünen im hessischen Landtag, zum Fall Hertie-Stiftungen und dem neuen Bundes-Stiftungsrecht
taz: Sie haben bei der Landesregierung einen Berichtsantrag zu Hertie gestellt. Was wollen Sie mit dem Antrag erreichen?
Alexander Müller: Es gibt Hinweise darauf, dass bei den Hertie-Stiftungen Gelder zu Lasten der Gemeinnützigen und zu Gunsten der gewinnorientierten Familienstiftung umverteilt wurden. Ich will wissen, ob das so bei den Stiftungen gelaufen ist, und ich will eine Bewertung des Vorgangs durch die hessische Landesregierung. In diesem Zusammenhang stellen sich für mich grundsätzliche Forderungen nach einer Stiftungsreform.
Welche Forderungen?
Eine Stiftung darf kein privatnütziges Steuersparmodell sein. Außerdem muss sichergestellt sein, dass eine angemessene Verzinsung des Stiftungskapitals stattfindet und die Erträge ausschließlich für den Stiftungszweck verwendet werden. Des weiteren möchte ich geklärt haben, was bei Insolvenz einer Stiftung passiert. Laut hessischem Stiftungsrecht ist das Land Hessen Rechtsnachfolger bestimmter Stiftungen.
Müsste das Land Hessen auch bei einer möglichen Pleite der in Frankfurt ansässigen Gemeinnützigen Hertie-Stiftung einspringen?
Nach meinem jetzigen Kenntnisstand ja.
Der Berichtsantrag wurde September 1999 gestellt. Warum liegt noch keine Antwort vor?
Die Landesregierung lässt sich ungewöhnlich lange Zeit mit der Beantwortung des Antrags, kündigt immer wieder eine Antwort an und wird mittlerweile von den Ereignissen, wie beispielsweise die Durchsuchungen im hessischen Finanzministerium, überrascht. Es wird höchste Zeit, dass die Landesregierung alle Fakten auf den Tisch legt.
Mitte Dezember des vergangenen Jahres hat die rot-grüne Bundesregierung ihren Gesetzesentwurf zur Reform des Stiftungsrechts vorgelegt. Verhindert dieser Reformvorschlag, dass Stiftungen als Steuersparmodell missbraucht werden können?
Ich sehe die Notwendigkeit zur weiteren Ergänzung des Entwurfs. So muss eine vollkommene Transparenz aller finanziellen Transaktionen der Stiftungen hergestellt werden. Mein Vorbild ist hierbei eine Stiftungsdatenbank im Internet, wie sie in den USA existiert. Für äußerst problematisch halte ich auch die „Doppelstiftungen“, also gemeinnützige Stiftungen und erwerbsorientierte Stiftungen, die eng miteinander verbunden sind. Hier besteht auch weiterhin die Gefahr, dass es sich um ein Steuersparmodell handeln kann. Der erste Schritt ist mit dem vorgelegten Gesetzesentwurf getan, es muss aber ein zweiter folgen.
Interview: Martin Murphy
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