: Von Adenauer lernen, heißt schmieren lernen
■ Illegales Finanzgebaren hat in der CDU eine lange Tradition. Die Idee, Gefolgsleute durch gezielte Geldspritzen noch ein wenig folgsamer zu machen, stammt vom ersten Parteivorsitzenden, Konrad Adenauer. Helmut Kohl hat sich auch hier als braver Enkel erwiesen
Bei der Schreiber-Spende an Wolfgang Schäuble und auch bei den von Kohl anonym gehaltenen Spenden geht es nicht um „Parteienfinanzierung“, die dadurch verursacht ist, dass die CDU an einem „chronischen Geldmangel“ leiden würde. Vielmehr statten Leute, die Geld haben, Vertrauenspersonen ihrer Wahl in der Partei heimlich mit Geld aus, um an den innerparteilichen und parlamentarisch kontrollierten Prozeduren vorbei Entscheidungen zu erkaufen.
Ein altes Problem: Schwarze Kassen unterhielt schon Kohls großes Vorbild Konrad Adenauer. Der erste CDU-Vorsitzende und erste Kanzler der Bundesrepublik Deutschland führte neben den offiziellen Parteifinanzen zahlreiche Sonderkonten. Er ließ sie von seinen persönlichen Vertrauten verwalten: von seinem Staatssekretär im Kanzleramt, Hans Globke, und seinem Freund Robert Pferdmenges. In der feinen Kölner Privatbank Oppenheim hatte man sich Anfang der 50er-Jahre getroffen, um das „System Adenauer“ auszuhecken – Freund und Finanzberater Pferdmenges war Teilhaber der Bank. Mit Fritz Berg, Präsident des BDI, einigte man sich: Die Spenden aus der Wirtschaft müssen steuerabzugsfähig sein, sie müssen zum größten Teil anonym bleiben, und sie werden weitgehend nicht an „die Parteien“ gezahlt, sondern an vertrauenswürdige Einzelpersonen.
Es wurden gemeinnützige Briefkastenfirmen gegründet („Staatsbürgerliche Vereinigung e. V.“). Sie bekamen die Spenden, stellten steuerabzugsfähige Quittungen aus und hatten nichts anderes zu tun, als die Gelder sofort an CDU, FDP und CSU weiterzuleiten. Briefkastenfirmen in der Schweiz und in Liechtenstein wurden zwischengeschaltet und stellten fingierte Rechnungen aus.
Auch unter Adenauer ging es nicht allgemein um „Parteienfinanzierung“. Der Einfluss der CDU-Sozialausschüsse sollte zurückgedrängt werden. Adenauer tat das, was später auch Kohl tat: Bestimmte Landesverbände – meist die Vorsitzenden oder die Geschäftsführer – wurden durch Geheimzahlungen auf Linie gebracht, bestimmte Kreisverbände und Günstlinge belohnt. Weil bei Parteispenden über 20.000 Mark die Namen der Spender veröffentlicht werden mussten, erfand die CDU Tarnnamen. Walther Leisler Kiep, CDU-Schatzmeister von 1971 bis 1991, schreibt in seinem kürzlich erschienenen Tagebuch („Was bleibt, ist große Zuversicht“): „Seit 1958 erschienen im Bundesanzeiger Rechenschaftsberichte, in denen immer mehr Decknamen verwendet wurden.“
Eberhard von Brauchitsch, der in den 70er-Jahren die „Bonner Landschaft“ mit diskreten Kuverts im Wert von 20 Millionen Mark „pflegte“, schreibt in seinem Rückblick, „Der Preis des Schweigens“: Der Gesetzgeber orientiere sich leider an denen, „die auf der sozialen Leiter unten stehen“, das zerstöre die freie Marktwirtschaft. Das sei nur durch „Schutzgelder“ zu verhindern: „Die einzige Möglichkeit der Einflussnahme bestand darin, die Schutzgelder so zu lenken, dass jene Kräfte in den Parteien unterstützt wurden, die den Ideen der freien Marktwirtschaft nicht entgegenstanden.“
Die Düsseldorfer Flick-Zentrale erhielt regelmäßig Anrufe von Kohl: „Juliane kommt!“ Juliane Weber, Kohls Büroleiterin, kam persönlich. Brauchitsch: „Frau Weber erklärte mir dann, dass in diesem oder jenem Landesverband dieser oder jener Vertrauensmann Kohls unterstützt werden müsse. Frau Weber wartete zehn Minuten, während ich bei Chefbuchhalter Diehl das Geld anforderte.“ Es handelte sich um 25.000 bis 50.000 Mark in bar. Brauchitsch: „Ich wusste, dass das Geld in den Büchern der CDU nicht auftauchte.“ So speiste Flick das illegale Finanzsystem in der CDU und regierte damit direkt in die Willensbildung der Partei hinein. Flick wollte erstens den Wirtschaftsflügel in der CDU stärken (natürlich auch in der CSU und FDP). Zweitens sollten die CDU-Sozialausschüsse mit ihren „Herz-Jesu-Marxisten“ wie Blüm und Geißler zurückgedrängt werden. Drittens sollte die damalige SPD/FDP-Bundesregierung für den Verkauf des Daimler-Aktien-Pakets und andere Firmenkäufe und -verkäufe Bescheinigungen über „wirtschaftliche Förderungswürdigkeit“ ausstellen, wegen einer Steuerersparnis von 500 Millionen Mark, weshalb auch Entscheidungsträger der SPD bedacht wurden. Ideologische Barrieren kennt die Wirtschaft nicht, am meisten zahlte Flick jedoch heimlich an die Konservativen: CDU-Schatzmeister Kiep bekam 4,05 Mio., Bundestagspräsident Barzel (CDU) 1,56 Mio., CDU-Vorsitzender Kohl 0,56 Mio., CSU-Vorsitzender Strauß 0,95 Mio., FDP-Vorsitzender Genscher 1,05 Mio., die Wirtschaftsminister Friderichs und Lambsdorff, beide FDP, 0,375 bzw. 0,165 Mio. Finanzminister Matthöfer (SPD) erhielt kümmerliche 40.000, Staatssekretär Lahnstein (SPD) 35.000, Kanzleramtsminister Ehmke (SPD) wurde mit 10.000 Mark abgespeist.
Wie Adenauer ließ Kohl seine schwarzen Kassen durch seine persönlichen Vertrauten Terlinden und Weyrauch verwalten, die kleine feine Privatbank hieß diesmal Hauck & Söhne. Wie bei Adenauer gehörten Schweizer Konten und Liechtensteiner Stiftungen dazu. Dass auch Präsidiumsmitglieder wie Schäuble das Hin- und Herschaffen von Bargeld in der CDU-Zentrale als normal ansahen, deutet auf eine größere Mittäterschaft hin. Schließlich war Weyrauch auch der „Wirtschaftsprüfer“ der CDU Hessen, aber auch der Steuerberater Leisler Kieps. Wie der bekannte Münchner Rechtsanwalt Rolf Bossi in seiner Strafanzeige gegen Helmut Kohl schreibt, entspricht ein solches vorsätzliches Vorgehen „den üblichen Praktiken der professionellen Wirtschaftskriminalität“ und umfasst nicht nur die mögliche Straftat der Untreue, sondern auch der Steuerhehlerei, der Strafvereitelung und der Geldwäsche. Werner Rügemer
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