piwik no script img

Am Rande des Bankrotts

■ Bundestagspräsident peilt Forderung von 200 Millionen Mark an

Ende vergangenen Jahres, die CDU hatte gerade ihren erneuerten Rechenschaftsbericht 1998 eingereicht, gaben sich die Anwälte der Partei noch kess. Die Frage, ob und wie Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) von seiner Ermessen Gebrauch machen müsse, staatliche Zuschüsse von der CDU zurückzufordern, „stellt sich nicht“, so die Anwälte. Die Botschaft der ehemals so staatstragenden Union lautete: Strafgelder gegen uns wird es nicht geben.

Die CDU-Anwälte haben sich geirrt. Auf die Union kommen horrende Rückforderungen zu. Das Mahnschreiben, das der Bundestagspräsident der CDU überstellte, lässt keine andere Interpretation zu. Thierse macht darin klar, dass es in der Causa CDU nicht mehr nur um Strafgelder für falsch deklarierte Einzelspenden geht – der ganze Staatszuschuss zur Parteienfinanzierung seit 1993 steht zur Disposition. „Die im überarbeiteten Rechenschaftsbericht 1998 vorgenommene Korrektur der [Spendenberichte für die] Jahre 1993 bis 1996 ist ergänzungsbedürftig“, schrieb Thierse.

Die CDU hat auf der Grundlage dieser Berichte 315 Millionen Mark erhalten. 200 Millionen Mark davon sind staatliche Ergänzungen, die der Staat der CDU für Spenden ausbezahlte. Die Angaben über genau diese Spenden waren aber falsch: Thierse kann also gar nicht anders, als sich den Kopf über die Rückzahlung von 200 Millionen Mark zu zerbrechen.

Dass Thierse die 200 Millionen Mark anpeilt, haben seine Juristen der CDU unmissverständlich klar gemacht. „Die Anwälte wurden darauf hingewiesen, dass der angemahnte Klärungsbedarf [...] im Hinblick auf die Paragrafen 48 und 49 a des Verwaltungsverfahrensgesetzes von Bedeutung sei.“ Diese Rechtsnormen braucht Thierse nur für einen Fall: Wenn er die Bewilligungsbescheide für die staatlichen Zuschüsse seit 1993 widerrufen möchte. Es wird also auch finanziell ernst für Deutschlands Christdemokraten.

In ihrem Rechenschaftsbericht 1998 weist sie ein Reinvermögen von 120 Millionen Mark aus. Selbst dann also, wenn der Bundestagspräsident nur einen Teil seiner Rückforderungen geltend macht, gerät die CDU an die Grenze der Zahlungsfähigkeit. Die Union ist aber ohnehin klamm ins neue Jahr gegangen. Sie steckt mitten in einem repräsentativen Bauvorhaben für ihre neue Parteizentrale in Berlin – 65 Millionen Mark sind aufzubringen. Und auf frische staatliche Mittel für das Jahr 2000 braucht die Partei kaum zu hoffen. Auch der Rechenschaftsbericht für das Jahr 1998 ist nämlich nicht korrekt. Beim nächsten Auszahlungstermin am 15. Februar, zu dem die CDU über 15 Millionen Mark erwartete, wird ihr Schatzmeister leer ausgehen.

Die letzte Hoffnung ruht nun auf jenem Ermessen Thierses, das sie vor zwei Wochen noch hochmütig zurückwies: Der Bundestagspräsident, so klärt der Hagener Parteienrechtler Thilo Streit auf, darf eine Partei nicht in die Pleite treiben. Christian Füller, Berlin

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen