: Warten auf Mohammad Chatami
Ein Berlin-Besuch des iranischen Präsidenten könnte unmittelbar bevorstehen. Spionageprozess endet rechtzeitig mit mildem Urteil
Berlin (taz) – Kommt er oder kommt er nicht? Seit Monaten bemüht sich Irans Präsident Mohammad Chatami um einen Besuchstermin in Berlin. Jetzt könnte dieser Wunsch wahr werden. Gestern berichtete der Berliner Tagesspiegel unter Berufung auf „diplomatische Kreise“, der Gast aus Teheran werde bereits am Freitag in der Bundeshauptstadt erwartet. Das Auswärtige Amt (AA) dementierte, doch die Chatami nahe stehende iranische Tageszeitung Hamschahri hatte bereits am Dienstag Ähnliches gemeldet.
Ein Besuchstermin stehe noch nicht fest, hieß es gestern aus dem AA, schließlich gebe es noch die „bekannte und offensichtliche Belastung“ durch den Fall des in Teheran festgehaltenen deutschen Geschäftsmannes Helmut Hofer. Der ursprünglich wegen angeblicher sexueller Kontakte zu einer Muslimin zum Tode veruteilte Hamburger muss zwar nicht mehr um sein Leben bangen. Jedoch soll er sich heute erneut vor Gericht verantworten. Diesmal lautet die Anklage „Beamtenbeleidigung“. Dieser Vorwurf könnte konstruiert worden sein, um der iranischen Justiz einen Ausweg aus der Affäre zu ermöglichen. Schließlich muss sie erklären, warum Hofer seit Juli 1997 festgehalten wird.
Sollte das Kapitel Hofer heute abgeschlossen werden, könnte Chatami tatsächlich bald in Berlin landen. Ein weiteres Hindernis dafür wurde gestern beseitigt. Vor dem Berliner Kammergericht endete nach knapp zwei Monaten der Prozess gegen Hamid Chorsand mit einem vergleichsweise milden Urteil. Wegen geheimdienstlicher Tätigkeit erhielt der Iraner 18 Monate Haft auf Bewährung sowie eine Geldstrafe von 5.000 Mark. Der Erste Strafsenat unter Richter Frithjof Kubsch blieb damit knapp unter der Forderung der Generalbundesanwaltschaft. Oberstaatsanwalt Bruno Jost hatte neben 18 Monaten Haft auf Bewährung 10.000 Mark Geldstrafe und die Einziehung von Chorsands angeblichem Agentenlohn in Höhe von 12.520 Mark verlangt.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der 36-jährige Chorsand über mindestens fünf Jahre hinweg in Deutschland für den iranischen Geheimdienst Vevak spioniert hatte. Ausspähungsobjekt waren die oppositionellen iranischen Volksmudschaheddin. Chorsand hatte einem gewissen „Seyyid“ in Teheran per Telefon regelmäßig Bericht über deren Aktivitäten erstattet. Die Gespräche hatten Verfassungschutz und Bundeskriminalamt mitgeschnitten. Für Jost sind die von Chorsand weitergegebenen Informationen Grundlage für mögliche Mordanschläge. „Wohin dies im schwersten Fall führen kann, hat der Fall Mykonos klargemacht“, erinnerte der Staatsanwalt, der auch in dem Prozess um die Ermordung von vier oppositionellen iranischen Kurden 1992 in Berlin die Anklage vertrat. Richter Kubsch konnte dem folgen, schließlich hatte er im April 1997 selbst das Mykonos-Urteil gesprochen.
Das Verfahren solle eine „Warnfunktion an alle diejenigen haben, die noch im Dienst des Vevak ihre Landsleute bespitzeln“, sagte Jost gestern in seinem Plädoyer. Wie darauf abgestimmt hatte Präsident Chatami am Wochenende eine grundlegende Reform des Geheimdienstes angekündigt. Noch ein Besuchshindernis weniger. Thomas Dreger
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