: Der Feind in ihrem Bett
■ Die Vorschau: Mechthild Müser hat sich in Frauenhäusern umgehört und vier Geschichten aus dem Ehekrieg zu einem O-Ton-Hörspiel montiert. Ursendung am Dienstag auf Radio Bremen 2
Katrin ist durch die Hölle gegangen. Isabell auch. Und auch Linda und Dorothee erging es nicht besser. Denn Katrin, Isabell, Linda und Dorothee – oder wie auch immer sie heißen mögen – hatten ihren persönlichen Erzfeind gleich neben sich im Bett. Sie sind Frauenhausfrauen. Und sie sind die Hauptdarstellerinnen in Mechthild Müsers so ergreifendem wie ärgerlichem O-Ton-Hörspiel „... die Angst, die bleibt ...“, das Radio Bremen morgen in einer Ursendung ausstrahlt.
Die Erzählungen der Frauen sind haarsträubend. In chronologischer Folge berichten die aus unterschiedlichen Schichten stammenden Frauen von ihrem Ehekrieg. „Am Anfang“, so sagt eine, „sah er noch aus wie James Dean.“ Doch schon wenig später hat er genauso wie die anderen James Deans angefangen zu schlagen. Oder zu demütigen. Oder zu vergewaltigen. „Für mich brach eine Welt zusammen“, sagt eine andere. „Wenn ich zur Entbindung eine Woche im Krankenhaus war, war das wie Urlaub für mich“, erinnert sich die dritte. Irgendwann sind sie dann ins Frauenhaus geflohen, zurückgekehrt nach Hause, wieder geflohen, um nach der letzten Flucht ihre Lebensgeschichten zu erzählen.
Mechthild Müser beschränkt sich in ihrem Hörspiel (oder besser: ihrer O-Ton-Collage) auf diese 1998 aufgenommenen Horrorstorys. Nur unterbrochen von Kurz-Einspielungen aus Miles Davis' Musik zum Film „Fahrstuhl zum Schaffott“ und dem O-Ton-Telefontraktat von einem der Männer, hat Müser die auf 40 Minuten gekürzten Erzählungen ineinander geschnitten. Durch den Wechsel der Stimmen und die gleichzeitige Ähnlichkeit der Erlebnisse multipliziert sich der Schrecken. Und zugleich stellt sich beim Zuhören ein ganzer Haufen von Fragen.
Müsers Hörspiel ist eine Art Sozialdrama im Stil der 70er Jahre, das mit Ausnahme der kaum verständlichen Telefonatschnipsel ausführlich die Opfer zu Wort kommen lässt. Es spricht auf den ersten Blick nichts gegen diese Form. Offenbar hat sich seit damals, als Feministinnen die Gewalt in der Ehe erstmals thematisierten und die ersten Frauenhäuser gegründet wurden, nicht viel geändert. Warum sollte man dann die Form ändern? Es gibt dafür keinen Grund außer der „Kleinigkeit“, dass das Radio nicht mehr das ist, was es in den 70ern war. In Bremen wäre solch ein Hörspiel damals im Massenprogramm „Hansawelle“ gesendet worden und hätte jeden Durchschnittshaushalt erreichen können. Heute wird es als irritierende Abweichung von der sonst überwiegenden Form Hörspielkunst auf dem Kulturprogramm-Sendeplatz am späten Dienstag Abend ausgestrahlt: Zur Abwechslung gibt's mal keine Literatur-Adaption, sondern einen Ausflug in die Schrecken des wirklichen Ehekrieges.
Eine jede der zu hörenden Geschichten ist wahr. Doch in dieser Zusammenstellung werden sie zu Kitsch. Katrin, Isabell, Linda und Dorothee sind alle „über den Berg“ – das heißt: Sie wären es, wenn ihre Männer sie nicht am Telefon, durch „Besuche“ oder das gewonnene Sorgerecht für die Kinder terrorisieren würden. Sie haben an Therapien teilgenommen oder zu reflektieren gelernt. Doch zur Wirklichkeit der längst etablierten (und freilich um Zuschüsse kämpfenden) Institution Frauenhaus gehört auch, dass viele Flüchtlinge für hochqualifizierte Beratung oft nicht zugänglich sind und bei nächster Gelegenheit wieder zurückkehren zu den Feinden in ihren Betten.
Auch in Müsers Interviews taucht dieses Motiv auf. Allein die Autorin fragt nicht genauer nach. Was bringt diese Frauen in den 80er und 90er Jahren dazu, jahrelang die Ehe mit ihren Männern zu ertragen? Welche Kraft, welches Gefühl und welche Angst liegen hinter dem Horror und halten die Frauen davon ab, ihre Monster zu Hause schon nach der ersten oder zweiten Gewalttätigkeit schlicht und einfach in den Wind zu schießen? Hilft die Institution Frauenhaus erst viel zu spät? Wie kann verhindert werden, dass Kinder in solchen Horror-ehen für die Mütter eine (oft befristete) Schutzrolle spielen und zugleich Aufbruch und Flucht nur noch schwerer machen? Es muss trotz des wachsenden Hörärgers über die fehlenden Antworten wohl doch ein gutes Hörspiel sein, das so viele Fragen aufreißt. Es hätte ein hervorragendes Feature sein können, das diese Fragen auch beantwortet. Christoph Köster
Di, 25. Januar, 22.05 Uhr, RB 2
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