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Enklaven sind unerwünscht

Schily mahnt die Türkische Gemeinde. Diese bestätigte Keskin als Vorsitzenden

Hamburg (taz) – Beim Fußballspiel sieht Innenminister Otto Schily (SPD) ernsthafte Schwierigkeiten aufziehen. Allein wegen der Freude am Spiel sollte die Doppelstaatlichkeit „tunlichst vermieden werden“, sagte Schily zu den Delegierten der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD), die sich am Wochenende in Hamburg getroffen haben.

Schily erinnerte an das deutsch-türkische Länderspiel im vorigen Oktober: „Welche Fahne soll in so einem Fall denn jemand mit zwei Pässen schwenken?“ Michel Friedmann vom Vorstand der Zentralrates der Juden schüttelte den Kopf: „Gejubelt wird jeweils für die Mannschaft, die gerade besser spielt. Wo ist das Problem?“ Dass er dem Innenminister den Ball spielend abjagte, dankten die Zuhörer am Samstag mit stehendem Applaus. Alle Gastredner, die bei der Delegiertenkonferenz auftraten, thematisierten das neue Staatsrecht.

Hakki Keskin, Bundesvorsitzender der TGD, kritisierte allerdings, dass die Bundesregierung die geplante Tolerierung der Zweistaatlichkeit fallen gelassen habe. Der türkische Pass sei für viele Deutschlandtürken ein „Teil ihrer Identität, und deren Aufgabe kann nicht befohlen werden“.

Otto Schily lobte, mit der Reform werde sich Deutschland von einem „ethisch bornierten Staatsverständnis abwenden“. Er warnte aber davor, „türkische Enklaven“ anzustreben. „Ich will keine zweisprachigen Ortsschilder“, sagte der Innenminister. Integration sei ein Prozess, für den beide Seiten Verantwortung trügen.

„Dennoch sind die Minderheiten dabei auf die Mehrheiten angewiesen“, konterte Friedmann und rief zu einem „jüdisch-muslismisch-christlichen Trialog“ auf. „Wir leben hier zusammen. Warum sollen wir es uns nicht schön machen?“, fragte Friedmann.

Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck, forderte mehr Respekt vor den kulturellen Eigenheiten von Minderheiten. Dazu gehörten auch muslimische Friedhöfe und Islamunterricht in den Schulen. Die Grünenpolitikerin warnte, dass die „politischen Turbulenzen um die Union“ die Zivilität der Gesellschaft und damit auch die Toleranz „beschädigen“ könnten.

In der 1995 gegründeten TGD sind rund 200 deutschtürkische Vereine organisiert. Vorsitzender ist seit 1995 der Hamburger Professor Hakki Keskin. Obwohl es im Vorfeld der Konferenz Kritik an seinem Führungsstil gegeben hatte, wurde Keskin gestern mit 106 von 108 Stimmen in seinem Amt bestätigt.

Heike Dierbach

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