: Zwei Millionen Mark pro Job
Der Fall Leuna: Wie Elf Aquitaine mit Bestechung und Subventionsbetrug eine überflüssige Raffinerie aufbaute
Berlin (taz) – Die riesige Raffinerie von Leuna könne man nicht retten. Darin waren sich viele Leute mit wirtschaftlichem Sachverstand 1991 so gut wie sicher. Das Benzin und die Kunststoffe aus dem früheren Kombinat „Walter Ulbricht“ bei Halle brauchte nach dem Zusammenbruch der DDR-Wirtschaft niemand mehr. Die Konkurrenz stellte genug her – und vor allem billiger.
Bundeskanzler Helmut Kohl aber versprach der Belegschaft: „Leuna bleibt erhalten.“ Damit begann die Geschichte des Neubaus der Raffinerie, die bis heute die Folie für Korruption, Bestechung und Subventionsbetrug liefert.
In der Chemieregion um Halle und Leipzig arbeiteten zu Beginn der 90er-Jahre rund 80.000 Menschen. Alleine in Leuna standen etwa 27.000 ArbeiterInnen unter Vertrag. Schon aus sozialen Gründen wollte die Treuhand-Anstalt, die alle DDR-Firmen verwaltete, wenigstens einige tausend Stellen absichern. Nach Kohls Ansage sollte außerdem mit staatlicher Hilfe ein „industrieller Kern“ gerettet werden, damit durch diesen Anreiz neue Privatunternehmen in der Umgebung entstünden. Die Frage lautete jedoch: Welcher Privatinvestor renoviert eine Raffinerie, die man nicht braucht?
Nicht zuletzt dank des guten Drahts zwischen Kohl und Frankreichs Staatspräsident François Mitterrand kam der französische Öl-Konzern Elf Aquitaine ins Gespräch. Mit Thyssen bildete Elf ein Konsortium und begann den Neubau einer Raffinerie zu planen, die heute unter anderem russisches Öl zu Benzin verarbeitet.
Das gesamte Projekt kostete rund fünf Milliarden Mark und sollte etwa 2.500 Arbeitsplätze in der Raffinerie erhalten. Ein Job kostete durchschnittlich zwei Millionen Mark – eine horrende Summe. Den größten Anteil der Investitionen spendierte der deutsche Staat: An direkten Zuschüssen sollten zum Beispiel 1,4 Milliarden Mark fließen. Hinzu kamen Bankbürgschaften und Absicherungen von zwei Milliarden.
Mehrfach ermittelte die Europäische Kommission gegen die Investoren. Der Verdacht: Elf und Thyssen haben die Baukosten absichtlich in die Höhe getrieben, um mehr Subventionen zu kassieren. Die Kommission blockierte zwischendurch deutsche Zahlungen und verlangte bereits überwiesene Beträge von Elf zurück.
Doch Elf wollte noch mehr. Der Konzern wünschte, zusätzlich das gewinnträchtige Netz der ostdeutschen Minol-Tankstellen zu erhalten. Gesagt, getan: Unter nach wie vor ungeklärten Umständen verschenkte die Treuhand-Anstalt die Firma Minol an Elf.
Auch dabei ging vermutlich nicht alles mit rechten Dingen zu. Französische Fahnder ermitteln seit Jahren wegen des Verdachts, Elf habe rund 80 Millionen Mark Schmiergelder als Gegenleistung für die Tankstellen gezahlt. Über eine halbe Million Mark hat zum Beispiel die CDU-Politikerin Agnes Hürland-Büning im Zusammenhang mit Leuna erhalten.
Hannes Koch
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen