Faxgerät-Kennung ist gut, Kontrolle wäre besser

■ Wie und warum das gefälschte Fax mit Helmut Kohls Ankündigung,Namen zu nennen, Nachrichtenagenturen und Redaktionen auf Trab brachte

Ein gefälschtes Fax mit der Ankündigung Helmut Kohls, vor einem „hochrangigen Ausschuss“ die Namen der anonymen CDU-Spender nennen zu wollen, hat am Sonntagabend Agenturen und Redaktionen in Atem gehalten. Um 16.18 Uhr meldete die Nachrichtenagentur Reuters, der Altbundeskanzler sei bereit, vor einem mit Bundespräsident Rau und anderen Persönlichkeiten besetzten Ausschuss auszupacken. Bedingung: Auch der Ausschuss sollte die Spender nicht bekannt machen dürfen. Der gordische Knoten schien durchschlagen. Hektische Reaktionen folgten, andere Agenturen schickten die Mär vom Kohl-Fax ebenfalls auf den Draht, bis um kurz nach 17 Uhr erste Zweifel kamen: dpa hatte im Büro des Bundespräsidenten nachgefragt, doch Johannes Rau wusste offensichtlich gar nichts von seinem Glück, das derzeit bestgehütete Geheimnis der Republik zu erfahren. Um exakt 17.23 Uhr war der Spuk vorbei. AFP brachte das erste offizielle Dementi aus Kohls Büro. „Kill“-Meldungen, die vorausgegangene Eildepeschen zurückzogen, folgten.

Auch bei der taz sorgte das gefälschte Fax für Aufregung. Binnen einer Stunde tauschte der zuständige Chef vom Dienst, Klaus Hillenbrand, die Seite eins aus: Statt der geplanten Schlagzeile „Elf’s Freunde sollt ihr sein“ lautete der Titel des Aufmachers nun „Kohl will sein Ehrenwort brechen“. Und weil in der Kürze der verbleibenden Zeit die Aufteilung der Seite nicht mehr verändert werden konnte, musste der Platz des ursprünglich geplanten Fotos mit Kohl und Mitterrand bei Verdun mit einem Foto von Helmut Kohl alleine aufgefüllt werden. Riesig groß hätte er unsere Leser beim Frühstück angestarrt.

Als dann die Meldung kam, wer in der von Kohl bestellten Kommission sitzen sollte, wurden die Kollegen doch etwas stutzig. Kein einziges CDU-Mitglied? Und überhaupt – Kohl will vor einer persönlich erwählten, von keinem Gesetz legitimierten Gruppe sprechen? „Der Mann wird immer seltsamer“, entfuhr es dem Chef vom Dienst, Karl Ingelfinger. Und entsprechend formuliert war dann die Bildunterzeile: „Kohls Vorstellungen werden immer skurriler“.

Kaum war die Arbeit beendet, stellte sich heraus, dass die Meldung vom sprechenden Kohl eine Fälschung war. Zurück auf Anfang! Leise fluchend änderten die Redakteure die Seiten wieder – wie viele Kollegen in anderen deutschen Tageszeitungen.

Trotz der gerade im Falle der CDU-Affäre allgegenwärtigen Hektik dürften solche „Enten“ eigentlich auch nicht sofort auf den Agenturdraht gehen. Doch die verantwortlichen Redakteure waren wohl „in der Plausibilitätskette verfangen“, wie Reuters-Chefredakteur Aktuelles, Peter Rall, sagt. Denn das Bonner Büro von Kohl habe am Sonntagvormittag eine Stellungnahme angekündigt, die wenig später per Fax in Berlin eintraf. „Die Faxe von Dr. Kohl zeichnen sich dadurch aus, dass sie keinen Briefkopf und eher lapidare Überschriften haben“, so Rall gegenüber der taz. Als am Nachmittag ein weiteres Fax – angeblich wieder vom Büro Kohl – mit indentischerAufmachung und wiederum mit Bonner Faxkennung eintrifft, unterbleibt der eigentlich unerlässliche Kontrollanruf. „Unsere Sicherheitsrichtlinien hätten das verhindern müssen“, sagt Rall. Jede unbekannte Quelle werde nachgeprüft. „Natürlich stehen wir unter Zeitdruck, aber die Hektik kann nie so hoch sein, dass die Seriosität darunter leidet.“

Für manche Blätter kam der Rückzug allerdings zu spät: Weil das angebliche Kohl-Fax auch international weitergemeldet wurde, das Dementi in Asien erst nach Redaktionsschluss über die Ticker lief, ziert die „Ente“ nun diverse Zeitungstitel von Japan bis Korea.

stg, kuz