■ Die CDU hat langsam die Nase voll von der undankbaren Aufgabe der ständigen rückhaltlosen Aufklärung und übt sich bei der Präsentation des Abschlussberichts der Wirtschaftsprüfer in Trotz: Ja, ja, zugegeben, man habe die innerparteiliche Demokratie verletzt. Aber es möge doch bitte die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben: CDU will bitte endlich nichts mehr hören
So hört es sich also an, wenn in den CDU-Gremien „relative Gelassenheit“ herrscht, wie Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf es gestern nannte. Da tritt dann etwa Ole von Beust für einige Momente vor die verschlossenen Türen der CDU-Vorstandssitzung in Berlin. „Natürlich kommen die Einschläge immer näher“, sagt der Hamburger CDU-Chef in einem Tonfall, als sei das tatsächlich die natürlichste Sache der Welt. Sein Szenario von den Einschlägen klingt bedrohlich, doch die Kraft zu einer Reaktion vermag er nicht mehr aufzubringen. Nach Wochen des Bombardements mit immer neuen Skandalen befindet sich die CDU in einem Zustand der Empörungserschöpfung.
Von den aufgeregten Worten, von der Androhung rechtlicher Schritte gegen Helmut Kohl will an diesem Montag niemand mehr etwas hören. Stattdessen soll es Horst Weyrauch an den Kragen gehen, dem längst geschassten Verwalter der schwarzen Millionen. „Das Verhältnis ist kritisch, die Distanz ist groß“, sagt Beust über den Altkanzler, aber „wir wollen das Verhältnis zu Kohl nicht zur Eskalation bringen“. Aus dem Mund des Hamburger CDU-Chefs ist die Äußerung doppelt bemerkenswert. Schon zu Zeiten, als Kohl noch Deutschland regierte, wagte Beust gelegentlich gegen „den Dicken“ anzustinken. In den Wochen der Aufklärung des CDU-Spendensumpfs gehörte er zu denen, die ihre Nase stets ein wenig weiter zum Fenster rausstreckten, als es der Parteispitze um Wolfgang Schäuble und Angela Merkel recht war. Gestern sagte Ole von Beust: „Aufklärung – man kann das Wort schon nicht mehr hören.“
Sieben Stunden lang, bis Montagfrüh um zwei Uhr, beriet das Präsidium der Partei den Abschlussbericht der Wirtschaftsprüfer. Weitere sechs Stunden dauerte die Sitzung des Vorstands vom nächsten Morgen an. Die Überlängen fallen kaum ins Gewicht. Eigentlich hätte der Bericht bereits vor Weihnachten präsentiert werden sollen. Immer neue Enthüllungen machten immer neue Untersuchungen erforderlich. Nun, da er doch noch veröffentlicht wird, ist der Bericht kaum mehr als eine Chronik der verschleppten Aufklärung. Der zentrale harte Fakt bedarf nicht der 20 Seiten, die das Papier umfasst: Rund zwölf Millionen Mark sind der Partei in den Jahren nach 1989 zugeflossen, ohne dass sich die Herkunft des Geldes klären ließ. „Die Achillesverse des Berichts“, nennt Generalsekretärin Angela Merkel das Geheimnis des schwarzen Geldes. Die Formulierung suggeriert auf charmante Weise, vom Makel der unerklärlichen Herkunft der Millionen einmal abgesehen handele es sich bei den CDU-Finanzen doch eigentlich um ein ganz anständiges Stück Rechenwerk.
Obwohl die politische Entwicklung die Wirtschaftsprüfer längst überholt hat, hofft die CDU-Spitze mit dem Bericht einen Schlusspunkt unter ihre internen Ermittlungen zu setzen. Bernhard Vogel, Ministerpräsident in Thüringen, erklärte bereits kategorisch, er sehe keine weiteren Aufklärungsmöglichkeiten von Seiten der Partei. Das Präsidium sei zu der Entscheidung gelangt, „uns mit dieser Situation abzufinden, weil offensichtlich eine weitere Aufklärung nicht möglich ist“.
Die CDU ist einer Aufklärung müde, die ihr doch immer nur neue Skandale beschert. Wolfgang Schäuble greift diese Stimmung trefflich auf. Der Beschluss, den er seinem Bundesvorstand vorlegte, ist von einem Trotz durchzogen, der an Helmut Kohl erinnert. Gewiss, es wurde die innerparteiliche Demokratie verletzt. Doch vor allem möge die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben, heißt es da. Die Christdemokraten würden im Land gebraucht. „Der CDU Deutschlands darf nicht der materielle Boden entzogen werden.“ Das ist mehr als eine Warnung an den Bundestagspräsidenten vor zu harten Strafen. Das ist schon wieder ein neuer Spendenaufruf.
Patrik Schwarz, Berlin
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen