„Null Toleranz für die Union“

In Hessen wird nicht neu gewählt. Reihen der CDU und FDP fest geschlossen gegen den Auflösungsantrag von SPD und Grünen ■ Aus Wiesbaden Klaus-Peter Klingelschmitt

Wiesbaden (taz) – Es kam, wie es – eigentlich – kommen musste. CDU und FDP wiesen gestern Abend im hessischen Landtag mit ihrer 56:54-Mehrheit den Antrag der Oppositionsparteien SPD und Bündnisgrüne auf Auflösung des Landtags ab. Die Regierungsparteien stärkten dem selbsternannten „Chefaufklärer“ in der speziellen hessischen Variante der Spendenaffäre, Ministerpräsident und Parteichef Roland Koch, wie bereits in den letzten Tagen den Rücken.

Die Landesregierung sei „voll handlungsfähig“, hatte Koch in der Debatte vor der Abstimmung konstatiert. Die Krise sei eine der Union und keine des Staates. Und deshalb werde er weder zurücktreten noch den Weg zu Neuwahlen freimachen. Koch gerierte sich kämpferisch: Er werde nicht davonlaufen, sondern in dieser schweren Zeit Verantwortung für die Partei übernehmen.

Der Fraktionsvorsitzende der SPD, Armin Clauss, hatte Koch zuvor vorgeworfen, selbst Teil des Systems zu sein, dessen Machenschaften er angeblich schonungslos offenlegen möchte. In der Sache habe der Ministerpräsident vor dem Landtag die Unwahrheit gesagt. Erst seit die Wahrheit über die schwarzen Konten und die Geldwaschanlage in Vaduz „scheibchenweise“ öffentlich geworden sei, habe sich Koch „an die Spitze der Aufklärungsbewegung gestellt“. Auch Rupert von Plottnitz (Grüne) sagte, Koch trage die volle Verantwortung für die Vorgänge in Hessen.

Gleichlautende Appelle von SPD und Grünen stießen auf taube Ohren: Dass sie die Reihen fest geschlossen halten würden, hatten die Regierungsparteien schon gestern Vormittag deutlich gemacht. Und der Fraktionsvorsitzende der Union, Norbert Kartmann, hatte gar die Chuzpe, die Oppositionsparteien aufzufordern, den Abwahlantrag zurückzuziehen. Die Landespolitik sei nämlich von der „derzeitigen Diskussion um die CDU“ nicht betroffen, behauptete Kartmann. Die Wahl 1999 habe die CDU aufgrund ihres besseren Programms gewonnen – und nicht wegen der behaupteten Finanzierung des ausländerfeindlichen Wahlkampfes mit Schwarzgeld.

Die Fronten waren also klar: SPD und Bündnisgrüne versuchten am Nachmittag, den Ministerpräsidenten und Landesvorsitzenden Roland Koch (CDU) und den Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Leiter der Staatskanzlei, Franz Josef Jung (CDU), in der Affäre als „Mitwisser“ zu entlarven, um den Auflösungsantrag zu unterfüttern. Und die Union bagatellisierte, lobte Koch gar als Chefaufklärer.

Kartmann warf SPD und Bündnisgrünen vor, mit dem nicht angemessenen Mittel der Selbstauflösung des Landtags zu versuchen, zurück an die Macht zu gelangen. Für die SPD warf Gerhard Bökel der Regierungspartei CDU vor, die Legitimation des Parlamentes „beschmutzt“ zu haben. Kriminelle Vorgänge bei der Union gelte es jetzt aufzuklären. Der Bildschirm sei zum „Beichtstuhl“ für die Union avanciert; aber die unglaublichen Vorgänge seien im Parlament zu diskutieren – und dann müsse daraus die eine richtige Konsequenz gezogen werden: die Selbstauflösung des Landtags. Nur so könne dieser jahrelange fundamentale Verfassungsbruch politisch geheilt werden, sagte Bökel abschließend.

Die Fraktionsvorsitzende der Bündnisgrünen, Priska Hinz, griff den „Saubermann der Union“, Manfred Kanther, scharf an. „Null Toleranz“ sei dessen Motto gewesen. „Null Toleranz jetzt für die Union.“ Und Hinz erinnerte an den schamlosesten Aspekt der Affäre der hessischen Union: die Lüge, dass im Ausland verstorbene jüdische Mitbürger der Partei ihr Vermögen vermacht hätten – immer zu Wahlkampfzeiten.

Kartmann wies für die Union alle Vorwürfe der Opposition als haltlos zurück und griff die „Regierungsfähigkeit“ Kochs wieder auf: Er habe trotz der „Problematik“ als Regierungschef keinen einzigen Termin versäumt. Sicher herrsche bei der Union tiefe Betroffenheit über das „Fehlverhalten von Einzelnen“ vor. Aber keiner bemühe sich mehr um Aufklärung als der Ministerpräsident. Und deshalb seien die Attacken der Opposition ungerecht – und parteipolitisch motiviert. Proteste auf den Oppositionsbänken.

Gegen 18 Uhr dann die Abstimmung: Nibelungentreue.