Greenpeace im Gegenstrom

■ Greenpeace ergänzt seine Aktionsformen um die Marktwirtschaft. Mit Greenpeace energy stiegen die Umweltschützer jetzt in den Handel mit Ökostrom ein. Doch die etablierten Netzbetreiber schalten auf stur

Über neue Geschäfte und alte Probleme sprach Andreas Lohse mit dem Vorstand von Greenpeace energy, Heinz Laing.

taz: Lassen die Stromversorger ihre alten Kunden ohne weiteres los?

Heinz Laing: Was wir gerade erleben, ist abenteuerlich: Wir haben bisher nur wenige hundert Durchleitungen regeln können. Viele Versorger sind offenbar überfordert und technisch dazu nicht in der Lage, weil ihnen angeblich die entsprechende Software fehlt. Einige verweigern sich völlig, andere reagieren nicht. Manche treten auch direkt an die Kunden heran, bestätigen die Kündigung, behaupten aber, es gebe keine Durchleitungsverträge, deshalb würden sie ihre Stromversorgung jetzt einstellen. Hinzu kommt, dass die finanziellen Forderungen extrem auseinander klaffen. Die Unternehmen fordern Durchleitungsgebühren zwischen 8 und 25 Pfennig pro Kilowattstunde.

Hängt das mit der neuen Verbändevereinbarung und der Nord-Süd-Trennung der Tarifgebiete zusammen?

Nein, das hat nichts mit dieser neuen „Zollgrenze“ zu tun, sondern ist völlig beliebig. Hinzu kommt, dass manche eine „Wechselgebühr“ zwischen 6 und 170 Mark pro Kunde verlangen. Also eine Strafgebühr allein dafür, dass ein Kunde es wagt, sich einen neuen Versorger zu suchen. Außerdem gibt es große Spannbreiten zwischen 40 und 150 Mark bei der jährlichen Mess- und Grundgebühr des Netzbetreibers. Andere wiederum wollen ohne jegliche Begründung Geld kassieren: Ein Kunde bekam beispielsweise eine Rechnung über 150 Mark für „besonderen Aufwand“. Kurzum: Es ist ein Chaos und ein Abzocken.

Wie gehen Sie damit um?

Wir raten unseren Kunden, weder zu unterschreiben noch zu bezahlen, denn aus unserer Sicht sind die meisten Forderungen nicht rechtens. Wir schicken den Netzbetreibern dann eine Mitteilung, dass ihre „Gebühren“ zu hoch sind, teils auch gar nicht zulässig, und wir bitten sie, darauf zu verzichten. Ansonsten prüfen wir, dagegen kartellrechtlich vorzugehen.

Stehen Ihre Kunden jetzt ohne Strom da und im Dunkeln?

Nein, die Kunden haben überhaupt nichts zu befürchten. Laut Paragraf 10 des Energiewirtschaftsgesetzes gibt es eine Versorgungspflicht der Energieversorger. Auch dann, wenn die Kunden bereits gekündigt haben, stehen sie nicht im Dunkeln und müssen per Gesetz zu den bisherigen Konditionen weiterhin mit Strom beliefert werden.

Das Ganze dient also nur der Verunsicherung?

Ja. Einem Kunden wurde sogar ganz konkret damit gedroht, ihm Anfang Januar den Strom abzustellen. Wir haben es nach Rücksprache mit ihm darauf ankommen lassen – es ist natürlich nichts dergleichen geschehen. Aber diese Schikanen führen zu einer enormen Verunsicherung.

Da würde ich mir jetzt aber reiflich überlegen, ob ich zu Greenpeace energy wechsele, bevor Sie diese Dinge in den Griff bekommen haben. Was sagen Sie denn potenziellen Interessenten?

Die Kunden haben ihre Gründe, sich für uns zu entscheiden: Sie wechseln, weil sie die herkömmliche Art der Stromerzeugung nicht länger unterstützen und finanzieren wollen. Sie wollen ihren persönlichen Atomausstieg vollziehen. Wer mit uns jetzt einen Vertrag schließt, hat nichts zu befürchten, denn seinen Strom bekommt er solange unverändert von seinem bisherigen Versorger, bis der die Durchleitung zu erträglichen Konditionen ermöglicht. Erst dann bekommt er unseren ökologischen Strom-Mix aus erneuerbaren Energien und Kraft-Wärme-Kopplung.

Wir brauchen jetzt sogar ganz viele Neukunden, um unsere Verhandlungsposition gegenüber den Netzbetreibern zu stärken. Mit einem einzigen Kunden können wir nicht viel ausrichten. Mit einigen tausend Kunden im Rücken können wir aber sehr wohl Druck ausüben, um die Ungereimtheiten aus der Welt zu schaffen und auch juristisch vorzugehen, weil der Wettbewerb behindert wird.

Greenpeace wurde vor allem mit seinen ideellen Kampagnen bekannt. Nun geben Sie eine Zeitung heraus, haben einen Versandhandel und steigen noch in das Stromgeschäft ein. Ist Greenpeace damit auf dem Weg zu einem gewöhnlichen kapitalistischen Mischkonzern?

Greenpeace bleibt Greenpeace, daran ist nicht zu rütteln. Mit dem Greenpeace-Magazin und dem Versandkatalog werden keine außerordentlichen Profite im kapitalistischen Sinne erwirtschaftet. Das wird auch nicht passieren. Wir nutzen aber die möglichen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Mittel zur politischen Auseinandersetzung. Mit dem Greenpeace-Magazin können wir unsere ideellen Vorstellungen unter die Leute bringen und mit unseren Produkten dafür werben. Und mit Greenpeace energy passiert genau das Gleiche: Die politischen Botschaften „Klimaschutz“ und „Atomausstieg“ werden damit verbreitet. Das Reizvolle ist, dass man jenseits des Geschäfts eine neue Aktionsform schafft, an der sich viele Menschen aktiv beteiligen können.

Gab es in Ihrem Haus auch Widerstand gegen das Stromgeschäft?

Nein, aber es gab intern reichlich Diskussionen darüber, ob es sich mit unseren ideellen Werten verträgt. Denn man unterliegt damit natürlich auch den Marktgesetzen, wir wollen Greenpeace energy ja nicht in den Bankrott fahren. Aber von Profiten ist momentan sowieso nicht zu reden, davon sind wir weit entfernt.(s. auch den Beitrag unten)