: Mit Österreichs Bockigkeit muss gerechnet werden
Von dem Nutzen der EU-Drohungen ist nicht einmal die rot-grüne Koalition überzeugt
Berlin (AFP/taz) – Einen Tag nach der EU-Drohung gegen Österreich ist die Debatte über ihren politischen Nutzen voll entbrannt. Politiker der Regierungskoalition wie auch der Opposition sprachen gestern von einer Einmischung in innere Angelegenheiten und kritisierten die Warnung der Europäischen Union, Österreich bei einer Regierungsbeteiligung der FPÖ zu isolieren, als politisch unklug. Der außenpolitische Berater von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), Michael Steiner, verteidigte dagegen die EU-Entscheidung und warnte Österreich im Gegenzug vor einer „Selbstisolation“. Die von der FPÖ vertretene Ausländerfeindlichkeit gehöre nicht zu den gemeinsamen Werten Europas, sagte Steiner im Berliner Hörfunksender „Hundert,6“.
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, der Sozialdemokrat Hans-Ulrich Klose, sagte indessen, Österreich könne nicht insgesamt für Haider „verhaftet“ werden. Statt Drohungen wäre es besser, das Problem „mit massiver Diplomatie“ zu lösen. Das derzeitige Vorgehen der EU könne dazu führen, dass dort „die Bockigkeit“ zunehme.
Der frühere Präsident des Europaparlaments, Klaus Hänsch (SPD), nannte die EU-Drohungen „reine Augenwischerei“. Es sei unmöglich, die bilateralen Kontakte zu verweigern, „aber dann im Ministerrat mit den FPÖ-Ministern zusammen sitzen“, sagte Hänsch im „Inforadio“.
Grünen-Parteichefin Gunda Röstel warnte vor einer Diskriminierung der Haider-Wähler. Der „Schmutzmantel des Rechtsextremismus“ dürfe nicht jedem vierten Österreicher umgehängt werden. Es sei nicht Aufgabe der Deutschen, sich in die „innerdemokratischen Angelegenheiten“ des Nachbarn einzumischen.
CDU-Chef Wolfgang Schäuble sagte in der Welt, eine „handlungsfähige Regierung“ sei die beste Voraussetzung, um „politischen Radikalismus“ zu bekämpfen. Er gehe davon aus, dass sich die ÖVP nicht von der FPÖ instrumentalisieren lasse. Bayerns CSU zeigte sich besonders aufgebracht: Einen „unglaublichen und beispiellosen Akt der Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines demokratischen Rechtsstaates“ nannte der bayrische Europaminister Reinhold Bocklet die Drohung.
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