: Ein heikles Thema für die Europäer
Die Drohung der EU-Staaten mit der Isolierung Österreichs entspricht der Rechtslage, aber der Teufel steckt im Detail
Ist die geplante Regierungskonferenz zur EU-Reform eine Veranstaltung zwischen Regierungen, von der Österreich ausgeschlossen werden müsste oder eine Veranstaltung der EU, was „business as usual“ bedeuten würde? Der Sprecher der EU-Kommission wollte sich zu dem heiklen Thema gestern nicht äußern. Seine Reaktion machte aber klar: Die Regierungschefs haben bei ihrer konzertierten Aktion am Montagabend nicht alle Konsequenzen bedacht.
Eine andere Frage dagegen konnte der Sprecher zu seiner großen Erleichterung beantworten: Wenn die Mitarbeiter der EU-Vertretung in Wien zum Opernball eingeladen werden, dürfen sie dann hingehen? Antwort: Ja, sie dürfen, da die EU als Institution ihr Verhalten gegenüber Österreich nicht ändern wird. Wenn die neue Regierung steht, wird Romano Prodi, wie es der Tradition entspricht, ein Glückwunschtelegramm nach Wien schicken? Keine gute Frage. Der Kommissionssprecher wechselt das Thema.
Auch das Europaparlament kommt zunehmend in die Klemme. In der Fraktionssitzung gestern zeigte sich, dass die konservative Partei Europäische Volkspartei an der Affaire Haider zerbrechen könnte. Schließlich war Parlamentspräsidentin Nicole Fontaine, die der EVP angehört, vorige Woche die erste, die deutlich reagierte: „Unerträglich“ nannte sie die Aussicht, dass die Haider-Partei in Österreich mitregieren könnte. Laut Amsterdamer Vertrag, so drohte Fontaine in einem Interview, könne ein Mitglied aus der Union ausgeschlossen werden. Inzwischen hat sie den Amsterdamer Vertrag wohl noch einmal in Ruhe gelesen. Artikel sieben bietet lediglich die Möglichkeit, einem Mitglied das Stimmrecht zu entziehen.
Vielleicht haben aber auch Parteifreunde Fontaine daran erinnert, dass sie weiterhin mit ÖVP-Kollegen in einer EVP-Fraktion sitzen wird. Denn seit Wochenbeginn ist sie auffallend zurückhaltend. Dafür melden sich nun deutsche EVP-Abgeordnete zu Wort. Als „heuchlerischen Akt der Vorverurteilung“ bezeichnete Hartmut Nassauer die Erklärung der 14 EU-Regierungschefs vom Montagabend. „Ausgerechnet diejenigen, die der Türkei, in der Folter und Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind, den Boden für eine EU-Mitgliedschaft ebnen wollen, stellen jetzt die Mitgliedschaft Österreichs in Frage.“
Noch deutlicher wurde Werner Langen (CDU). Die Einäugigkeit der sozialistischen Regierungschefs sei bemerkenswert. Niemand habe sich darüber aufgeregt, dass mit der PDS Kommunisten in deutschen Länderregierungen sitzen. Eine Vorverurteilung Österreichs, ohne den Koalitionsvertrag zu prüfen, sei nicht hinnehmbar.
Der Fraktionsvorsitzende der EVP, der Deutsche Gerd Pöttering, sah sich am Ende der gestrigen Sitzung nicht in der Lage, einen gemeinsamen Standpunkt seiner Fraktion zu formulieren. Klar ist nur, dass eine Mehrheit sich dagegen ausgesprochen hat, die sieben ÖVP-Mitglieder aus der Fraktion auszuschließen. Die Grünen wollen zumindest erreichen, dass die Mitgliedschaft der ÖVP-Abgeordneten im Europaparlament ausgesetzt wird. Eine Mehrheit für solch eine Resolution gilt im Europaparlament aber als unwahrscheinlich.
Daniela Weingärtner, Brüssel
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