: Lernen, richtig zu fragen
Das „Medienbüro“ in Altona bildet Journalisten aus und vermittelt nicht nur das Handwerk: Ethik ist angesagt ■ Von Sandra Wilsdorf
Fragen stellen kann doch jeder. Wozu also ein Seminar zum Thema Interview belegen? „Mit Interviews haben viele Teilnehmer Frusterlebnisse, weil sie denken, dass Fragen zu stellen das Einfachste von der Welt ist“, sagt Rita Weinert, Leiterin des „Medienbüros“ in Altona. Aber nach dem Frust kommt das Lernen: Einstieg, Ausstieg, roter Faden. Mit wem spreche ich? Was will ich wissen? Wann führt Provokation, wann eher Diplomatie zum Ziel? „Die Begegnung von Mensch zu Mensch ist eben kompliziert“, sagt Rita Weinert. Aber Journalismus ist auch Handwerk und damit erlernbar.
Die Einrichtung für journalistische Aus- und Weiterbildung finanziert sich aus Teilnehmerbeiträgen und mit Geld von der evangelischen Kirche Hamburg. In Tages-, Wochen- und Wochenendseminaren machen Journalisten Fort- und Anfänger erste Schritte. Dabei gibt es medienübergreifende Angebote wie „Interview für Einsteiger“, „Recherchetraining“ oder „Pressearbeit“. Hörfunk-Interessierte bilden sich am „Arbeitsplatz Radio“, im „Schnupperkurs Radiowerkstatt“, im Moderations- und Radiotraining; für Schreiber sind unter anderem „Arbeitsplatz Zeitung“, „Schreibwerkstatt“, „die Zeitungsreportage“ und „Reisejournalismus“.
Die Dozenten sind Journalisten und andere Fachleute. Ein zweitägiges Moderationstraining kostet beispielsweise 200 Mark, sieben Abende in der Schreibwerkstatt 350 Mark. Mit ihren Zuschüssen leistet die Kirche ihren Beitrag zu einem „ethischen Journalismus“. Den hält die Theologin und gelernte Journa-listin Weinert heute für „angesagter denn je“. Wahrheit, Abkehr vom Sensationsjournalismus und hin zu dem, was mit Menschen passiert, denen es nicht gut geht, gehören für sie dazu. „Ich will den Teilnehmern mitgeben, dass sie das im Kopf behalten.“ Dass sich der eine oder die andere für eine Medien-Karriere trotzdem verbiegen muss, ist eine andere Frage.
Aber vielleicht geht es auch ohne Verbiegen. Denn Journalisten sind gefragt. „Wirtschafts- und Online-Journalismus boomen. Auch gute Reisejournalisten werden gesucht.“ Dazu gehöre allerdings mehr, als gern in Urlaub zu fahren. Auch Wissenschaftsjournalisten sind begehrt, „aber es ist offenbar ein Riesenproblem, Kompliziertes einfach darzustellen“, sagt Rita Weinert. Überhaupt, Verständlichkeit: „Ich rate, mit Radio anzufangen. Wer fürs Radio schreiben kann, kann es auch für alles andere.“ Denn für das schnelle Medium sei es wichtig, sich anschaulich und verständlich auszudrücken.
Das ist Handwerk: „Wer will, kann ein guter Journalist werden“, glaubt Rita Weinert. Neugier und Offenheit für die Geschichten des Lebens sowie den Wunsch, sie zu erzählen, müsse man mitbringen, den Rest könne man lernen. „Wir sind offen für Teilnehmer, die noch nicht im Big Business sind, sondern studieren oder als Arbeitslose nach einer Perspektive suchen.“ Viele, die beim Medienbüro starten, würden landen. „Wir haben gute Kontakte zu den Medien“, sagt Weinert.
Der Berufseinstieg über den klassischen Weg des Volontariats sei gut, aber schwierig. Deshalb muss es auch anders gehen. „Gefragt ist nicht mehr so sehr der Generalist, der heute ins Rathaus und morgen ins Thalia Theater geht“, weiss Weinert. „Man sollte sich auf etwas spezialisieren, wofür das Herz schlägt.“
Medienbüro Hamburg, Schillerstraße 7, 040-30623180
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