Ertrunken in beeindruckenden Bildern

„Die story“ will „aus Katastrophen lernen“, dokumentiert aber nur Tankerunfälle – und die halbe Wahrheit (So., 21 Uhr, WDR)

Die Bilder schockieren noch immer: Der ölverklebte Vogel, der jämmerlich aufgeplustert in die schwarze Brühe taucht und mit einem „Blubb“ untergeht; geborstene Riesentanker, aus denen schwarz das Rohöl quillt und die Strände erstickt. Das visuelle Gedächtnis der Industriegesellschaft und ihrer Katastrophen haben Thomas Weidenbach und Meike Hemschemeier angezapft, um für die Sendereihe „die story“ für den WDR die erste Folge des Dreiteilers „Mitgift – Aus Katastrophen lernen“ zu bebildern.

Durchaus mit Erfolg. Die Mischung aus Dokumentarmaterial und aktuellen Bildern, wie die faszinierenden Unterwassersequenzen vom Wrack des Supertankers „Amoco Cadiz“, ziehen in ihren Bann. Als roter Faden dienen zwei Thesen: Aus der Katastrophe der „Amoco Cadiz“ wurde nichts gelernt: Weder wurden die Gesetze verschärft noch die Tanker sicherer. Doch die Natur half sich selbst. Wind und Wellen und ölfressende Bakterien haben die bretonischen Strände gesäubert.

Nach der Havarie der „Exxon Valdez“ 1989 vor Alaska dagegen war es andersherum: Zwar sind die Strände noch mit giftigem Öl verseucht, und die Wale, Vögel und Fische haben sich längst nicht erholt. Doch die USA haben durchgesetzt, dass neue Öltanker nur noch mit Doppelhaut gebaut werden dürfen, und die Pipeline-Betreiber lassen jeden Tanker von Schleppern eskortieren und drillen ihr Personal. „Die Amerikaner zeigen, wie Küsten und Meere geschützt werden können – wenn man nur will. Aus Katastrophen kann man lernen“, lautet das Fazit des Berichts.

Schade nur, dass bei dem einjährigen Rechercheaufwand, den Weidenbach und Hemschemeier für diese Reihe getrieben haben, für eine genauere Analyse der Ursachen nicht gereicht hat. Der Film lässt auf großartige Weise „Gefühle zu und spricht Emotionen an“, wie der WDR wirbt. Doch er erliegt der Faszination der Bilder; „Zusammenhänge sichtbar“ macht er kaum: Die Verantwortlichen an den Havarien werden beiläufig genannt: gierige Reeder und Ölmultis. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Denn dass Millionen Tonnen von Öl über die Weltmeere schippern, ist kein Naturgesetz. Das billige Petroleum ist der Schmierstoff für die Industriegesellschaft und ihr Glaubensbekenntnis vom Wachstum um jeden Preis. Steigt der Ölpreis, wackeln nicht nur rot-grüne Regierungen.

Ausgerechnet die USA zum Kronzeugen zu machen, wie Meere und Küsten zu schützen sind, zeigt nur eine Seite der Medaille. Natürlich sind die Regeln in Alaska strenger als anderswo. Doch der Ölhunger der größten Wirtschaftsnation ist seit der Exxon Valdez sogar noch gestiegen: In amerikanischen Automotoren, Klimaanlagen und ungedämmten Häusern wird insgesamt und pro Kopf mehr fossile Energie verheizt als irgendwo sonst.

Wenn die Amerikaner etwas zeigen, dann eine hochgradige Schizophrenie: Wie man den Öltransport sicherer macht, aber die Abhängigkeit vom Öl mit allen Naturzerstörungen bei Produktion, Transport und Verbrauch des schwarzen Goldes nicht verringert, sondern erhöht. Wie man, zu Deutsch, mehr Feuerlöscher im Haus aufhängt – aber Benzin und Streichhölzer offen liegen lässt.

Bernhard Pötter

13. 2.: Seveso, „Bhopal & Co“; 20. 2.: „Love-Canal, Dortmund-Dorstfeld & Co“; jeweils 21 Uhr