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Napoleon, allein auf weiter Flur

Hubert Burda, Alleinherrscher über seinen Verlagskonzern, wird heute 60 Jahre alt. Doch die Tage der Eigenständigkeit scheinen gezählt ■ Von Wolfgang Messner

Helmut Markwort vertraut Burda seit „Focus“ ebenso blind wie seinem Jugendfreund Jürgen Todenhöfer

Mit dem beginnenden 21. Jahrhundert hat die Generation der Medien-Tycoons überall abgedankt. In Zeiten der Globalisierung gehört die Zukunft multinationalen Konzernen mit Aktionären, Vorständen und Aufsichtsräten. Überall?

Nicht ganz. Weit oben in der Spitze der deutschen Verlage steht ein Einzelner, der nach Vätersitte seine Sache allein auf sich gestellt hat: Hubert Burda. Mit einer Körpergröße von 1,69 Metern von geradezu napoleonischem Ausmaß, herrscht er über ein weltweites Medienunternehmen mit einem Jahresumsatz von zuletzt rund 2,6 Milliarden Mark. Burda gibt über 130 Zeitschriften heraus – 25 sind es derzeit allein in Deutschland, unter anderem Focus, Bunte, Freizeit-Revue, Das Haus, das legendäre Fashionblatt Burda Mode+Magazin, Elle und Freundin oder die Ossi-Postille Super Illu.

Burda ist Anteilseigner an gut einem Dutzend Radiostationen und auch an einigen privaten Fernsehsendern – darunter mit einem Mini-Anteil an RTL 2 – und hat sich im Internet positioniert.

Der „Laden“ aber, wie er seinen Konzern nennt, muss einem ganz allein gehören. Das hat Hubert Burda von seinem gestrengen Verlegervater gelernt. Der „Senator“, wie sich der alte Franz Burda nennen ließ, hatte aus der kleinen Druckerei in Offenburg einen der größten deutschen Verlage gemacht. Der Vater war lebenslanges Leitbild, dem Burda junior in seltsamer Hassliebe verbunden blieb. An ihm und seinen beiden älteren und körperlich größeren Brüdern Franz und Frieder musste er sich messen lassen.

Heute, da Hubert Burda mit viel Glanz und Gloria sich und sein futuristisches Offenburger Medienhaus zum 60. Geburtstag feiert, hat er den Übervater überwunden. Mehr noch: Burda hat den Wandel vom reinen Druck- und Zeitschriften-Verlag zum modernen Medienkonzern geschafft.

Dass dies dem sensiblen, eloquenten und intellektuellen Hubert Burda gelingen würde, hat ihm kaum jemand zugetraut. Keiner der langjährigen Freunde und Weggefährten, der Vater schon gar nicht. Der erkannte seinen Jüngsten zwar klar als Verlegertalent, demütigte ihn aber oft mit Aussprüchen wie „Ob der Hubert das schafft?“. Dem NSDAP-Parteigänger, der ab 1943 für Wehrmacht und Luftwaffe Karten und Luftbilder druckte, war das Treiben seines rebellisch veranlagten Sohnes schlicht „zu links“.

Huberts Start im väterlichen Verlagshaus fällt also schwer. 1966 beginnt er als Verlagsleiter von Bild und Funk. Als er sich 1970 mit dem Herrenmagazin M verlegerisch zu profilieren sucht, scheitert er schon nach wenigen Monaten. Niederlagen steckt der ehemalige Boxer (Feder- und Bantamgewicht) nicht leicht weg. In Erinnerung an diese Wunde nennt er später auf RTL 2 eine Erotiksendung „M - ein Männermagazin“ – noch ein Flop.

Nach dem Tod des „Senators“ 1986 werden alle drei Brüder als gleichberechtigte Erben eingesetzt. Das geht nicht gut: Schon nach drei Monate erfolgt die Realteilung. Hubert übernimmt den gesamten Verlag, Franz und Frieder („F&F“) Burda bekommen diverse familieneigene Speditionen, Pressevertriebe und Papierfabriken in Deutschland und den USA – und leben heute als milliardenschwere Rentiers in Offenburg und Baden-Baden, wo auch an der Lichtentaler Allee ihre Holding zur immerwährenden Geldvermehrung ihren Sitz hat.

Zum Streit aber kommt es über den 24,9-prozentigen Anteil am Axel-Springer-Verlag, den die Burdas auf ausdrücklichen Wunsch von Axel Cäsar Springer erworben hatten. In den drei Burda-Brüdern sah dieser nach dem Tod seines einzigen Sohnes seine Nachfolger im Geiste. Und Hubert, in jungen Jahren mit Springer-Sohn Axel jr. eng befreundet, nahm das ernst. Doch hinter seinem Rücken verkauften Franz und Frieder die Anteile an Springer zurück. Hubert zieht vor Gericht, verliert 1991 aber den Prozess.

1993 wird dann zum entscheidenden Jahr. Da setzt Burda alles auf eine Karte. Zusammen mit Helmut Markwort, den er einst unter Schimpf und Schande aus dem Haus gejagt, dann aber vom Gong zurückgeholt hatte, startet er mit der Nachrichten-Illustrierten Focus zum Generalangriff auf den Spiegel. Obwohl es an voreiligen Grabgesängen nicht fehlt, startet das Heft durch, verkauft heute 750.000 Exemplare pro Woche –und etwa 1.000 Anzeigenseiten mehr als die Hamburger Konkurrenz. Burda hatte richtig das Bedürfnis des Lesers nach leicht konsumierbaren Info(tainment)-Häppchen erkannt. Wäre er mit Focus gescheitert, hätte dies leicht auch das Ende für seinen Verlag bedeuten können.

Markwort vertraut er seitdem ebenso blind wie seinem Offenburger Jugendfreund, dem früheren CDU-Bundestagsabgeordneten und Wehrexperten Jürgen Todenhöfer, der für Burda den Konzern leitet.

Auch wenn sein Lebenswerk quasi vollendet ist, kokettiert Hubert Burda mit seiner Rastlosigkeit: „Ich habe nichts erreicht.“

Bei der Umsetzung seines immerwährenden Veränderungwillens verheddert sich der Napoleon von Rhein aber auch: Früh hatte er die Möglichkeiten des Internet erkannt, richtig genutzt hat er sie dennoch nicht. Rund um den Focus ist zwar ein beachtlicher Onlinedienst entstanden, mit Burda Systems verfügt der Konzern auch über einen Systementwickler, doch als Hubert Burda in das US-Unternehmen Netscape einsteigen kann, zögert er zu lange.

Trotz aller Anstrengungen bei den neuen Medien bleibt der Burda-Konzern letztlich somit auf Zeitschriften konzentriert. Und erscheint daher Branchenkennern als zu klein, um langfristig im globalen Konzert der ganz Großen mitzumischen. Strategische Allianzen – oder schließlich doch die Übernahme – scheinen unausweichlich. Denn auch die Nachfolge des Alleinherrschers ist unklar, wenngleich Sohn Felix als Erbe bereitstünde.

Die Zeit der großen Medien-Patriarchen – vielleicht ist sie doch vorbei.

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