piwik no script img

Wer ist schuld an der Isolation?

Noch vor der ersten Regierungserklärung sieht sich Österreichs neuer Bundeskanzler Wolfgang Schüssel einem Misstrauensantrag gegenüber. Das Parlament debattiert die Verantwortung für die außenpolitische Isolation ■ Aus Wien Ralf Leonhard

Abgeriegelt wie ein G-7-Gipfel präsentierte sich das Parlament an der Wiener Ringstraße gestern anlässlich einer Sondersitzung des Nationalrats. 600 Mann der Anti-Aufruhr-Truppe der Polizei, im schwarzen Drillich und mit Schutzschilden und Schlagstöcken ausgerüstet, setzten die Bannmeile von 300 Metern durch.

Erik Buxbaum, der Direktor für die öffentliche Sicherheit im Innenministerium, gab sich nach den teils von blutigen Zwischenfällen begleiteten Demonstrationen der letzten Woche entschlossen, „diesen Tag ordentlich über die Runden zu bringen“. Zu diesem Zweck wurde selbst die Besuchergalerie des hohen Hauses durch Kontingente der Gendarmerie- und Polizeischulen sowie Rekruten des Bundesheeres und Beamte der Zollwache weitgehend in Beschlag genommen. Die wenigen zivilen Interessenten, die Besucherkarten ergattern konnten, wurden nach der Röntgenkontrolle und dem Passieren der Magnetrahmen noch auf Wurfgegenstände und Farbbeutel gefilzt. Selbst die Abgeordneten bekamen erst nach Vorweis eines Dokuments Zutritt zu ihren Amtsräumen.

Anlass der gespenstischen Veranstaltung war eine dringliche Anfrage der Grünen an Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. In deren Rahmen wurde erstmals eine Bundesregierung, die noch gar nicht ihr Programm offiziell vorgestellt hat, mit einem Misstrauensantrag konfrontiert. Eine weitere Premiere in dieser von ungewöhnlichen Ereignissen begleiteten Phase der Regierungsbildung: Der Nationalrat, so heißt es wörtlich, möge beschließen, dass dem Herrn Bundeskanzler das Vertrauen versagt werde, da er „durch die Bildung einer Regierung mit einer rechtsextremen Partei die persönliche und politische Verantwortung für die absehbare politische Isolation Östereichs in der EU“ trage sowie für die „außenpolitische Handlungsunfähigkeit der Bundesregierung, für den absehbaren wirschaftlichen Schaden für österreichische Betriebe und für die Irreführung der Öffentlichkeit“. „Ist es der Titel Bundeskanzler wert“, wird Schüssel im letzten Punkt der „Dringlichen“ gefragt, „dafür die außenpolitische Isolierung Österreichs und die damit verbundenen wirtschaftlichen Schäden in Kauf zu nehmen?“

Dass der Misstrauensantrag scheitern würde, war angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Parlament nicht anders zu erwarten. Das Abstimmungsverhalten der Sozialdemokraten ließ jedoch keinen Zweifel an einer neuen Blockbildung. In Abwesenheit von Viktor Klima, der „zur Erholung“ untergetaucht ist, fand sich SPÖ-Klubchef Peter Kostelka zumindest rhetorisch schnell in die Rolle des Oppositionsführers: „Fünf Tage ist die Regierung alt und dieses Haus gleicht einer belagerten Festung. In diesen fünf Tagen wurden Dinge in Frage gestellt, die in den vergangen 55 Jahren mühsam aufgebaut worden sind.“

Wolfgang Schüssel gab sich vor Beginn der Debatte guter Dinge. Vor der Presse zeigte er sich angetan davon, dass über das Wochenende im Ausland eine „differenziertere Berichterstattung eingesetzt“ und die Gewaltbereitschaft auf der Straße abgenommen habe.

Unterdessen legte Bundespräsident Thomas Klestil, dem Haider vorgeworfen hatte, die heftigen Reaktionen in der EU „bestellt“ zu haben, eine Dokumentation seiner Telefonate mit ausländischen Regierungschefs und Staatsoberhäuptern vor, darunter auch ein Gespräch mit Jacques Chirac. Allerdings habe er stets eher abzuwiegeln versucht.

Den damaligen Außenminister Schüssel habe er von der Sorge der Europäer über eine Regierungsbeteiligung der FPÖ unterrichtet. Auch Klima hatte am Montag bei einer Pressekonferenz versichert, er habe „ein reines Gewissen.“ Rechtspopulistische Parteien hätten schon in der Vergangenheit Weltverschwörungen für alles verantwortlich gemacht. Einem von der FPÖ angedrohten parlamentarischen Untersuchungsausschuss sehe er mit Gelassenheit entgegen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen