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„Es gibt nur eine zulässige Antwort: Nein“

Panzer für Ankara? Claudia Roth meint, die verschärften Exportrichtlinien verbieten die Lieferung

taz: Frau Roth, Bundeskanzler Schröder verschiebt seine Reise in die Türkei. Freuen Sie sich, dass die nächste rot-grüne Panzerkrise noch ein wenig auf sich warten lässt?

Claudia Roth: Von Freude würde ich nicht gerade sprechen, denn das Grundproblem bleibt. Sobald die Türken sich entscheiden, ob sie tatsächlich deutsche Panzer bestellen wollen, werden wir uns mit der Frage einer Genehmigung befassen müssen. Davor kann man nicht die Augen verschließen.

Nach dem Streit um die Lieferung eines Testpanzers haben die Grünen durchgesetzt, dass die Rüstungsexportrichtlinien verschärft werden. Jetzt überlegt die Türkei, tausend „Leo II“ zu bestellen. Sind die neuen Richtlinien scharf genug, um den Export zu verhindern?

Eine Exportgenehmigung hängt von der Situation der Menschenrechte in der Türkei ab – so sehen es die neuen Richtlinien vor. Wenn die Türkei heute tausend Panzer bestellt, wird man sich auch die Berichte der einschlägigen Menschenrechtsorganisationen anschauen müssen. Ich habe keinen Zweifel, dass die Richtlinien zum jetzigen Zeitpunkt nur eine Antwort auf die Exportanfrage zulassen: Nein.

Der Wirtschaftsminister versteht die Richtlinien sicher anders.

Zum Schluss sind Exportgenehmigungen immer eine politische Entscheidung. Im Dezember hat Kanzler Schröder selbst noch gesagt, dass ein Export derzeit wohl nicht in Frage kommt. Seitdem hat sich an der Menschenrechtslage in der Türkei nichts geändert: Die Todesstrafe ist noch nicht abgeschafft, Folter existiert nach wie vor und die Meinungsfreiheit ist nicht garantiert.

Befürworter des Exports argumentieren, in den Richtlinien ist die Relevanz der Menschenrechte sehr viel enger begrenzt. Verboten sind nur Exportgüter, die der internen Repression dienen. Simpel gesagt: Mit Panzern kann man nicht foltern.

Es ist doch griffelspitzig zu sagen, ein Panzer wird nicht in einer Gefängniszelle eingesetzt. Panzer haben zweifellos einen schmutzigen Krieg gegen die Kurden möglich gemacht – auch NVA-Panzer aus der Bundesrepublik.

Die Situation ist heute eine andere: Die PKK hat den Kampf eingestellt. Ankara sagt, die Panzer sind zur Landesverteidigung bestimmt.

Es stimmt, die PKK hat der Gewalt abgeschworen. Ein vergleichbares Signal von Seiten der türkischen Regierung fehlt aber immer noch. Die Türkei baucht dringend den Einstieg in eine politische Lösung des Kurdenproblems. Solange es dafür keine Garantien gibt, kann der Krieg im eigenen Land wieder aufflammen.

Das ist eine politische Spekulation. Ist das nicht die Crux der Richtlinien: Für ein Exportverbot ist ein Verdacht zu wenig?

Aus meiner Sicht ist ein hinreichender Verdacht wirklich genügend. Der Verdacht ist ja auch nicht etwa aus antitürkischen Motiven aus der Luft gegriffen, sondern er beruht auf sehr konkreten Erfahrungen. Bis heute kann man in der Türkei vor Gericht gestellt werden, wenn man öffentlich darüber nachdenkt, ob es sinnvoll wäre, Formen von regionaler Autonomie einzuführen.

Trotzdem lässt sich bei NATO-Ländern wie der Türkei der Export nur in Ausnahmefällen verbieten.

Natürlich sind die Exportrichtlinien nicht perfekt. Aber der Begründungszwang ist sehr viel höher geworden. Bei problematischen Empfängerländern muss man präzise nachweisen, warum eine Exportgenehmigung erteilt werden soll. Ich bemühe mich natürlich, die Richtlinien in meinem Sinne zu interpretieren. Das werden andere womöglich in ihrem Sinne auch tun. Aber es gibt jetzt verbindliche Kriterien, indem zum Beispiel die Berichte von nicht staatlichen Organisationen wie amnesty berücksichtigt werden müssen.

Sind die Grünen bereit, über den Panzerexport den Konflikt mit der SPD zu riskieren?

Ja. Als es im letzten Herbst um den Export des Testpanzers ging, haben die Sozialdemokraten unsere Entschlossenheit unterschätzt. Das wird ihnen diesmal nicht passieren.

Der Kanzler könnte eins seiner Machtworte sprechen.

Gegen grünen Widerstand jetzt Panzer für die Türkei zu genehmigen, wäre eine Kampfansage an den Fortbestand der Koalition.

Interview: Patrik Schwarz

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