Wo 1.000 Panzer sind, ist selten Frieden

■ Die türkische Regierung versucht, Druck auf die Bundesregierung aufzubauen, um den deutschen Leopard II zu bekommen. Der Bundeskanzler versucht auszuweichen – und die Grünen fürchten um den den Koalitionsfrieden

Selten war es einfacher, das Gewicht der Belastung einer bilateralen Beziehung so exakt anzugeben, wie jetzt im drohenden Knatsch zwischen Deutschland und der Türkei. Genau 60 Tonnen sind es, jene, die der Kampfpanzer Leopard II auf die Waage bringt. Offenbar zu viel für Bundeskanzler Schröder, der am Donnerstagabend bekannt geben ließ, er werde seinen für Anfang März geplanten Besuch in der Türkei verschieben. Um Bundespräsident Rau, der vom 3. bis 7. April Griechenland und die Türkei besuchen wird, den „Vortritt“ zu lassen. Vortritt? Die Meldung wurde in der Türkei zunächst kommentarlos aufgenommen, so als handele es sich tatsächlich nur um die späte Erkenntnis einer unglücklichen Terminierung.

Seit Januar stehen in der Nähe Ankaras Testpanzer aus den USA, Frankeich, der Ukraine und eben aus den Münchener Krauss-Maffei-Werken zu einer Erprobungsphase bereit, an deren Ende die türkische Armee über die Anschaffung von 1.000 neuen Panzern entscheiden will. Wohl wissend um die innerdeutsche Debatte, verlangt das türkische Heeresbeschaffungsamt jetzt von den Bieterländern eine Garantie, dass der am Ende der Tests ausgewählte Panzer auch tatsächlich geliefert wird. Da die USA, Frankreich und erst recht die Ukraine ganz scharf auf den 6-bis-7-Milliarden-Dollar-Deal sind, zielt dieses Ansinnen direkt auf das Kanzleramt. Unter Militärexperten in der Türkei ist es kein Geheimnis, dass die Armee den Leopard II favorisiert.

Verteidigungsminister Cakmakoglu hat den Druck gestern noch verschärft, indem er sagte, er wolle bis Ende Juli die Lieferung von 250 Kampfpanzern (Gegenwert: 3 Milliarden Mark) klarhaben. Schröder war davon ausgegangen, bis Mitte des nächsten Jahres Zeit zu haben zu entscheiden, ob man dem Testpanzer die anderen 999 hinterherschickt. Er ist für den Panzerverkauf. Wenn er jetzt nach Ankara käme, würde er einer Entscheidung kaum ausweichen können. Doch selbst ein Zeitgewinn wird Schröder kaum helfen. Zwar hat sich die Lage im kurdisch besiedelten Südosten der Türkei merklich entspannt, aber zu einer tatsächlichen politischen Lösung der Kurdenfrage ist es noch ein weiter Weg. Und in Ankara denkt niemand daran, den Reformprozess mit dem Panzergeschäft zu verbinden. Bereits im März wird dort eine weitere Rüstungsexportentscheidung fallen. Es geht um 145 Kampfhubschrauber, die für einen möglichen Kampf gegen Aufständische viel relevanter sind als der Leopard II. Mit im Rennen sind die „Tiger“, eine deutsch-französische Koproduktion von Dasa und Aerospatiale.

Jürgen Gottschlich, Istanbul