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Der bockigste Gärtner Irlands ■ Von Ralf Sotscheck

Das Publikum tobte. Einige klopften sich vergnügt auf die Schenkel, andere keuchten vor Lachen und wischten sich Tränen aus den Augen. Immer wieder brandete Szenenapplaus auf. Dann bereitete Herr Moriarty dem Spaß ein Ende: „Das ist eine ernste Angelegenheit“, wetterte er, „und wenn die Leute einen Zirkus wollen, müssen sie woanders hingehen.“

Dabei ist seine Veranstaltung viel unterhaltsamer als jeder Zirkus. Moriarty ist Richter, und er leitet seit Jahren einen Untersuchungsausschuss, der die Betrügereien irischer Politiker und Geschäftsleute ans Licht bringen soll. Der größte Schurke, den er bisher entlarvt hat, war der langjährige Premierminister Charles Haughey, gegen den selbst Helmut Kohl als Ehrenmann erscheint.

Der unterhaltsamste Schurke dagegen musste vorige Woche vor dem Ausschuss aussagen. Denis Foley, ein unscheinbares Landei aus dem Südwesten Irlands, ist seit fast 20 Jahren Abgeordneter. Wer so lange dem Volke dient, wird mit dem ein oder anderen Pöstchen belohnt. Foley, strenger Abstinenzler, bekam einen Sitz im Parlamentsausschuss, der Auslandskonten für Schwarzgelder und Steuerhinterziehung auf den Cay-man-Inseln überprüfen sollte.

Der Ausschuss stieß auf 120 illegale Anleger. Einer davon war ausgerechnet Foley. Von allen Böcken, die je zu Gärtnern gemacht wurden, ist er der bockigste. Foley hatte bereits in den 70er-Jahren 50.000 Pfund investiert, ein stattliches Sümmchen, mit dem man damals eine Villa in der besten Gegend Dublins kaufen konnte. Wo hatte Foley so viel Geld her? Damals war er Manager verschiedener Tanzsäle, eigentlich kein besonders lukratives Geschäft. Foley vergaß vor lauter Tanzsälen, wo er sein Geld investiert hatte.

Als die Untersuchung vor drei Jahren begann, habe er „bis zuletzt gehofft, dass ich nichts mit Ansbacher zu tun habe“. Hat er aber doch, und er hatte auch Kontoauszüge von der Ansbacher-Bank bekommen. „Ich hatte gehofft, dass es sich um einen Irrtum handelt.“ Natürlich. Es ist bei Banken gang und gäbe, dass sie einem gegen den Willen Konten eröffnen und stattliche Summen gutschreiben. Als Beweis für seine Unschuld führte Foley einen Herzinfarkt an, den er Mitte der Achtzigerjahre bekommen hatte, weil er sich in Finanzschwierigkeiten wähnte. „Der Herzinfarkt wäre ja völlig überflüssig gewesen“, sagte er.

Heraus kam alles, weil Padraig Collery von der Guinness and Mahon Bank, der jahrelang dichtgehalten hatte, plötzlich Angst vor einer Hausdurchsuchung bekam und die Ansbacher-Akten seiner Sekretärin gab. Die dachte sich: „Oho, das ist brisant“ – und gab die Akten dem Ausschuss.

Möglicherweise ist das ganze Geld, vermutlich hunderte von Millionen, nun futsch: John Furze, der die Konten auf den Cayman-Inseln betreute, starb vor zweieinhalb Jahren, ohne eine anständige Buchführung zu hinterlassen. Sein Nachfolger Barry Benjamin verlangt von den Investoren nun Eigentumsnachweise. Das wird schwierig, haben sie doch so viel kriminelle Energie darauf verwendet, alle Spuren zu verschleiern.

Und wer sind die anderen Schwarzkontenbesitzer? Der Ausschuss hat noch jahrelang Arbeit, im Parlamentszirkus wird derweil gezittert. Für genügend Unterhaltung ist gesorgt.

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