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Über die Symbiose von Bier und Politik

Bei seiner Aussage vor dem Untersuchungsausschuss in Hannover offenbart Ex-Ministerpräsident Glogowski, dass ihm jegliches schlechte Gewissen fremd ist. „Konnte mich nicht um alles kümmern“

Hannover (taz) – „Mir geht es besser, als es sich meine Gegner wünschen“, drohte der Zeuge Gerhard Glogowski schon zu Beginn seiner Vernehmung vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss des niedersächsischen Landtages an. In der Tat legte der ehemalige Ministerpräsident gestern vor dem Gremium, das die Glogowski-Affäre durchleuchten soll, bald die anfängliche Anspannung ab und unterhielt das Publikum mit bodenständigen Scherzen über seine von Firmen gesponserte Hochzeitsfeier. Ein Unrechtsbewusstsein, so konstatierte am Ende nicht nur der Obmann der Grünen im Ausschuss, Michel Golibrzuch, hat der 57-jährige SPD-Politiker zweieinhalb Monate nach seinem Rücktritt weniger denn je.

Gerade mal „Nachlässigkeiten“ gestand Glogowski zu Beginn seiner Aussage ein. „Soweit Nachlässigkeiten vorliegen, habe ich die Verantwortung dafür getragen“, sagte er mit Blick auf seinen Rücktritt nach nur 13 Monaten Amtszeit als Ministerpräsident. Dabei habe es sich aber auch um Nachlässigkeiten gehandelt, für die er nicht unmittelbar verantwortlich sei. Den Vorwurf der Vorteilsannahme wies der Zeuge anschließend mit wohl überlegten Worten zurück: „Ich habe mich niemals zu Lasten des Landes Niedersachsen bereichern wollen.“

Gerade dies allerdings hatte ihm der Sonderermittler der Landesregierung, Heiner Herbst, zur Last gelegt. Nach Herbsts Bericht hat Glogowski sich einen privaten Flug zu einer Opernaufführung am Fuße der Ägyptischen Pyramiden vom Land als „Staatsbesuch“ bezahlen lassen. Eine Wohnung im Gästehaus der niedersächsischen Landesregierung nutzte er ein halbes Jahr kostenlos und zahlte dann erst auf dem Höhepunkt der Affäre Miete nach. Auch seine Aufsichtsratsbezüge aus Mandaten im Auftrag des Landes hat Glogowski, so Ermittler Herbst, verspätet und nur „sehr zögerlich“, abgeführt.

Für diese Unregelmäßigkeiten wollte sich der Zeuge Glogowski gestern allerdings nicht direkt haftbar machen lassen. Als Ministerpräsident habe er täglich 16 bis 18 Stunden und auch noch am Wochenende für das Land gearbeitet. Er könne schon deswegen zu Einzelheiten nichts sagen, „weil ich mich beim besten Willen um Abrechnungen, Reisekosten, Mieten und Ähnliches nicht kümmern konnte“. Durch seinen Rücktritt habe er aber auch für diese Dinge die Verantwortung übernommen.

Richtig leutselig wurde der Zeuge, als es um seine Hochzeitsfeier im Braunschweiger Altstadtrathaus ging, bei der zwei Brauereien und eine Kaffeefirma per Sponsoring für Getränke gesorgt hatten. Er habe sich nichts dabei gedacht, als er dieses Angebot angenommen habe. Die ganze Feier habe ohnehin ein Freund, der Präsident des Braunschweiger Arbeitgeberverbandes, organisiert. Der kostenlose Ausschank sei zwar nett gemeint gewesen, aber „ich würde es nicht wieder zulassen“, betonte der Ex-Ministerpräsident. Eine Gegenleistung hat Glogowski für den Freiausschank nach eigenen Angaben nicht erbracht. Dass das Braunschweiger Bier eines der besten der Welt sei, habe er ohnehin schon immer gesagt. Schließlich lobte er die beiden Bierhersteller als „sehr volksnah“. In ganz Niedersachsen seien „Bier, Politik und auch das Vereinswesen eine positive Symbiose eingegangen“, die man nun trennen müsse.

Die gewichtigeren Vorwürfe sollen erst am kommenden Freitag in einer zweiten Vernehmung des SPD-Politikers zur Sprache kommen. Die Kosten einer Abschiedsfeier der Braunschweiger Stadtwerke, die sich auf 100.000 Mark beliefen, wurden Glogowski nach eigenem Bekunden erst im Nachhinein bekannt. Die Einladung zu der Feier, nach der die Staatsanwaltschaft nun wegen Untreue ermittelt, hat der SPD-Politiker allerdings in seiner Funktion als Vorsitzender des Stadtwerke-Aufsichtsrats unterschrieben.

Jürgen Voges

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