: Aufklären bildet fürs Konspirative
Der Verfassungsschutz macht PR: Bei der Bildungsmesse in Köln umwirbt er Schüler und Lehrer – „nur zur Info“
Köln (taz) – Irgendwie konspirativ wirkt der Schnäuzerträger. In grauem Jacket und mit Handy am Ohr drückt er sich vor Stand 20 in Halle 14 herum. Und tatsächlich: Hier ist er, der Mann vom Bundesamt für Verfassungsschutz beziehungsweise seinem nordrhein-westfälischen Ableger. Der wenig klandestine Auftritt findet auf der Messe Interschul/didacta 2000 in Köln – einer Bildungsmesse.
Der Verfassungsschutz (VS) bei Paukern und Pädagogen? „Irgendwo ist da doch ein Bildungszusammenhang da“, erklärt Geheimdienstler im Außendienst, Lutz Behrend, dem verblüfften Besucher. Das Amt habe einen Auftrag zur Aufklärung von Bedrohungen – genau wie Bildung ja auch irgendwie für Aufklärung sorgen soll.
Wenn Behrend nicht gerade seinen Kollegen am Messestand aushilft, beschäftigt sich der Verfassungsschützer mit Rechtsextremismus. Damit liegt er im Trend. Die Materialien über die Neonazi-Szene und Skinheads stoßen bei Besuchern auf Interesse. „Die meisten wollen allerdings das ‚VS-info NRW 2000‘ haben“, meint Behrend. Kostenlose CD-ROMs, das geht immer gut weg.
Gezielt wolle der Verfassungsschutz auf der Messe Lehrer ansprechen – die haben „ja eine Multiplikatorenfunktion“. Deswegen hat das Amt „Handreichungen“ parat. Manchmal bleiben auch Schülergruppen stehen, um das VS-Computerspiel „Was steckt dahinter“ zu spielen. Aber keine Sorge, wehrt der Geheimdienstler ab, anwerben wolle man hier niemanden. „Das ist eine reine Infogeschichte, damit die Leute ihre Scheu verlieren.“ Sein Arbeitgeber sei „ja immer noch geheimnisumwittert“.
Wenn’s um den Schutz vor äußeren Feinden geht, sieht das ganz anders aus. Denn bei der Bundeswehr, die sich gleich nebenan eingegraben hat, ist doch deutlich mehr los als bei den Schlapphüten. Lehrer, Professoren, ganze Schulklassen und Seminare drängeln sich hier. Freundliche Jugendoffiziere spielen mit ihnen die interaktive Simulation „Politik und Internationale Sicherheit“ (POL&IS). „Das ist der große Renner bei uns“, schwärmt Hauptmann Thomas Feda.
Jeweils zweieinhalb Tage lang üben sich dabei rund 50 Jugendliche in Weltpolitik. Es geht um die Gestaltung der internationalen Beziehungen vom Jahr 2000 bis 2005. Gerade war eine Gymnasialklasse aus Bayern hier. Doch die Oberschüler waren zu stürmisch – ein neuer Weltkrieg drohte. Die GUS-Staaten hatten bei den Zöglingen aus Bayern die Demokratie wieder abgeschafft, sich mit China verbündet und alle internationalen Verträge gekündigt. Der Westen versetzte seine Streitkräfte prompt in Alarmbereitschaft ...
Hätte die Simulation noch ein Jahr länger gedauert, die Welt wäre nicht mehr zu retten gewesen. „Man weiß nie, wohin die Simulation geht“, merkt Feda mit Kennermiene an.
Mit solcher Action kann der schon aus professionellen Gründen eher stille Verfassungsschutz nicht aufwarten. Mit guter PR tut sich das Amt überhaupt schwer. Nicht einmal die begehrten Werbekugelschreiber gibt’s beim VS. Die muss man sich, qua Amtshilfe, bei der Bundeswehr leihen.
Pascal Beucker
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